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Premiere "Goyescas" und "Gianni Schicchi" in Regensburg Erst düster, dann neonbunt

Stolz sind sie, die Spanier, temperamentvoll, heißblütig und etwas schwermütig. So will es jedenfalls das Klischee, so werden sie zum Beispiel in Georges Bizets Erfolgsoper "Carmen" dargestellt. Ganz so viel Kastagnetten-Geklapper und Flamenco-Atmosphäre gibt es in der selten aufgeführten Kurzoper "Goyescas" von Enrique Granados nicht, und doch überzeugte das weitgehend unbekannte und sehr düstere Werk am Theater Regensburg.

Bildquelle: Jochen Quast

Premierenkritik

"Goyescas" und "Gianni Schicchi" am Theater Regensburg

Nichts weniger als die "wahre" spanische Seele wollte Granados freilegen, eine Seele, die eben viel komplizierter und poetischer sei als allgemein angenommen. Die Geschichte von "Goyescas" ist schnell erzählt. Zwei eifersüchtige Männer duellieren sich wegen einer Frau, einer ist am Ende tot. Die Ehre ist in Spanien eben doch wichtiger als alles andere. Inspirieren ließ sich Granados zu diesem folkloristischen Kurzdrama durch berühmte Bilder seines spanischen Landsmanns Goya, vor denen sich noch heute im renommierten Prado Menschentrauben bilden.

Betörende "Maya" - Nachtgestalt in Madrid

Szenenbild aus "Goyescas" am Theater Regensburg | Bildquelle: Jochen Quast Bildquelle: Jochen Quast Vor allem die faszinierende "Maya" betörte den Komponisten, und wer das Bild „Maya“ von Goya jemals selbst gesehen hat, wird das sofort verstehen: Die Mayas und Mayos, das waren die feierwütigen, ausgelassenen, aber auch mit Messern bewaffneten Nachtgestalten von Madrid um 1800. Auf der Regensburger Bühne trugen sie in der Inszenierung von Bernd Liepold-Mosser allesamt schwarze Kleidung, die Männer ordensgeschmückt, die Frauen züchtig: Immerhin spielt das alles im Land der strengen Inquisition.

Ausstatter Andrea Cozzi fand sehr überzeugende Bilder für die spanische Strenge. Die kleine, prächtig gekleidete "Infantin" aus dem epochemachenden Gemälde von Velazquez tritt auf, Sinnbild spanischer Größe. Eine rote, aufblasbare Frauenfigur, halb Sexpuppe, halb Fleischberg, symbolisiert die Heißblütigkeit, den Rausch, die Vernichtung. Die Drehbühne ist dabei ständig in Bewegung, die Mechanik der Gefühle lässt sich weder bremsen, noch steuern, wer wüsste das nicht. Komponist Granados lässt das Orchester dazu üppig aufrauschen, durchaus auch mit Kastagnetten, aber insgesamt eher wagnerianisch als mit südländischer Leidenschaft.

Komponist Granados starb bei U-Boot-Angriff

Diese "Goyescas", also Szenen nach Goya-Motiven, wurden für Granados zum Requiem: Der Komponist starb auf der Rückreise von der Uraufführung in New York, weil sein Schiff 1916 im Ärmelkanal von einem deutschen U-Boot getroffen wurde. Granados konnte zunächst gerettet werden, sprang aber wieder ins Wasser, weil er seine Frau ertrinken sah. Beide starben. Eine bittere, ganz große Tragik, die in dieser kraftvollen, konsequenten und nachtschwarzen Inszenierung mitzuschwingen scheint. Der Regensburger Generalmusikdirektor Tetsuro Ban hatte hörbar Freude an der opulenten, ausladenden Partitur von "Goyescas". Das Orchester ließ sich mitunter allerdings zu sehr anspornen: Im vergleichsweisen kleinen Regensburger Theater wurde das Klangbild auch mal scharf und lärmig. Insgesamt freilich eine sehr überzeugende Entdeckung für alle, die den Spaniern mal tief in ihr Herz schauen wollen.

"Gianni Schicchi" mit Plastik-Reptil

Szenenbild aus "Gianni Schicchi" am Theater Regensburg | Bildquelle: Jochen Quast Bildquelle: Jochen Quast Ohne Pause folgte Puccinis schwarze Komödie "Gianni Schicchi", frei nach einer Anekdote aus Dantes "Göttlicher Komödie". Der Schwank begeistert immer wieder, kennt doch fast jeder Verwandte, die beim Totenschmaus nur falsche Tränen weinen und vor allem am Testament interessiert sind. Regisseur Bernd Liepold-Mosser zeigte die Kurzoper als neonbunte Revue und Satire auf menschliche Gier. Dabei hatte auch eine riesige Plastik-Echse ihren großen Auftritt - was sie sollte, blieb unklar. Vielleicht eine Anspielung auf echsenhafte Kälte in unserer Gesellschaft, vielleicht ein Rätselbild für Eingeweihte: Immerhin kriechen bei den Bayreuther Festspielen hoch umstrittene Krokodile über die Bühne. Unter den zahlreichen Mitwirkenden überzeugten vor allem die in zwei Rollen besetzte Sopranistin Michaela Schneider, der amerikanische Tenor Jonathan Winell als verliebter Rinuccio und der ebenfalls in beiden Teilen auftretende aserbaidschanische Bariton Seymur Karimov. Adam Kruzel als Gianni Schicchi spielte und sang etwas zu farblos für diese schlitzohrige Rolle. Großer, herzlicher Applaus für einen sehr gelungenen Regensburger Opernabend.

Weitere Aufführungstermine

Die Kurzopern "Goyescas" und "Gianni Schicchi" sind am Theater Regensburg am 26. und 30. Januar, am 6., 16., 21. und 26. Februar, sowie am 6. März 2016 zu sehen.

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