Vor drei Jahren wurde David T. Littles Oper "JFK" im texanischen Fort Worth uraufgeführt - dort, wo John F. Kennedy seine letzte Nacht verbrachte. Am Staatstheater Augsburg hat Regisseur Roman Hovenbitzer das opulente, ja ausladende Werk optisch überzeugend im Griff. Am 24. März war Premiere.
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Er soll sexsüchtig gewesen sein, brauchte regelmäßig Morphium, war gläubiger Katholik und mit 43 Jahren der jüngste Präsident, den Amerika bis dahin je gehabt hatte: John F. Kennedy taugt zweifellos zum Opernheld, schon wegen seines glamourösen Familienclans, seiner Ehefrau Jackie, der prägenden Stilikone der sechziger Jahre, und natürlich wegen seines tragischen Todes beim Attentat in Dallas am 22. November 1963. In der Partitur des amerikanischen Komponisten David T. Little, Jahrgang 1978, ist an einer Stelle für die Geigen die etwas hochtrabende Vortragsbezeichnung zu lesen "urgent, heavy, a matter of life and death", also "dringlich, schwer, um Leben und Tod". Und so hört sich diese Oper tatsächlich durchgängig an, sehr episch, getragen, pathetisch, als ob da jemand ein paar Nationalhymnen aneinander gereiht hat, allerdings ohne markante Melodien, dafür mit Inbrunst und Leidenschaft.
Das hat die Kritiker nach der Uraufführung vor drei Jahren im texanischen Fort Worth so sehr gestört, dass sie das Werk wenig gnädig aufnahmen. Neben der ihrer Ansicht allzu wabernden Musik bemängelten sie, dass der Hauptdarsteller in "JFK" merkwürdig konturenlos bleibt, jedenfalls als Person deutlich weniger Interesse weckt als seine Frau Jacqueline Bouvier, besser bekannt als Jackie. Nach der gestrigen Premiere in Augsburg lässt sich sagen: Ja, die Oper hat musikalische und dramaturgische Schwächen, aber wenn sie so groß angelegt und mutig inszeniert wird, ist sie unterhaltsam, hörens- und teilweise sogar staunenswert. Kurz und gut: Ein typisch amerikanisches Spektakel, das musikalisch irgendwo zwischen opulenten "Herr der Ringe"-Fanfaren, seidenweichen Hollywood-Streicherteppichen und einem Quäntchen Texas-Folklore angesiedelt ist, wobei hier und da auch entspannter Ambient-Sound aufrauscht, wie er von Wellness-Landschaften bekannt ist.
Da verstört nichts, da werden die Ohren wohlig umspült, da sind Chor und Knabenchor mit ihren ausladenden Ruhmgesängen viel beschäftigt. In sage und schreibe 31 "Momenten" handelt Textdichter Royce Vavrek Kennedys Lebensstationen ab, rückblickend von der letzten Nacht im Hotel aus. Lauter Traumsequenzen, bisweilen verrätselt für alle, die das Leben der Kennedys nicht so genau kennen, aber dabei half das Programmbuch. Marilyn Monroe hat in der beeindruckenden Augsburger Inszenierung von Roman Hovenbitzer einen stummen Kurzauftritt, Vizepräsident Lyndon B. Johnson lässt es beim Rodeo ordentlich krachen und lässt eine Freiheitsstatue auftreten, die sich als Stripperin erweist, der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow sorgt mit einer zackigen Kompagnie Roter Armee und einem Braunbären für Aufsehen.
Bildquelle: Jan Pieter Fuhr Viel Show, aber auch eher melancholische Augenblicke, etwa, wenn der erschöpfte und rückenkranke John F. Kennedy in der Badewanne liegt wie der berühmte französische Revolutionär Jean Paul Marat: Auf beiden Männern ruhten Hoffnungen, die sich allesamt nicht erfüllten, vermutlich auch nicht begründet waren, weil es sich eher um Sehnsüchte, um Projektionen handelte, die mit der Realität nichts zu tun hatten. Ähnlich der Auftritt des Präsidenten eingerahmt von seinen Anhängern am Rednerpult: Hovenbitzer inszeniert das wie Leonardo da Vincis "Letztes Abendmahl", was keineswegs weit hergeholt ist, schließlich richteten sich auf JFK geradezu religiöse Heilserwartungen. Obwohl in der Oper das Attentat gar nicht vorkommt, lässt der Regisseur die Szene gleich zu Beginn abrollen: Die Kennedys im offenen Wagen, der Schuss fällt, Jackie klettert in Panik auf den Kofferaum. Filmeinspielungen illustrieren Lebensstationen von JFK, Schicksalsengel treten als Film-Team auf und inszenieren die letzten fünf Minuten im Leben des Präsidenten, die Uhr läuft rückwärts. Das alles fasziniert in der optischen Üppigkeit.
Ganz erstaunlich, was die mexikanische Ausstatterin Natalia Orendain del Castillo und Videokünstler Paul Zoller in der schwierig zu bespielenden Halle im Augsburger Martinipark auf die Beine gestellt haben. Dirigent Lancelot Fuhry schwelgte mit hörbarem Genuss in der sehr breiten Partitur, bis zu geradezu wagnerianischem Furor. Kate Allen war eine ergreifende, in sich zerrissene Jackie, Alejandro Marco-Buhrmester in der Titelrolle hatte leider erst gegen Ende intensivere, berührendere Auftritte, was nicht an ihm, sondern an der Rolle lag. Roman Poboinyi als Chruschtschow und Irakli Goirgoshidze als Lyndon B. Johnson setzten grelle Ausrufezeichen, die hart am Karneval waren, aber hervorragend passten zu dieser mehr berauschenden als erhellenden JFK-Revue. Sehr freundlicher Beifall des Publikums.
Sendung: "Leporello" am 25. März 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
"JFK"
(Europäische Erstaufführung)
Oper in 31 Momenten und einem Prolog von David T. Little
Staatstheater Augsburg
Premiere: 24. März 2019
Augsburger Philharmoniker
Leitung: Lancelot Fuhry
Inszenierung: Roman Hovenbitzer
Infos zu Terminen und Vorverkauf auf der Homepage des Theaters
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