"L' Ancêtre" ist die letzte Oper von Camille Saint-Saëns. Bis heute gibt es keine Einspielung davon auf Tonträgern und auch in den Spielplänen deutscher Opernhäuser ist das Werk so gut wie nicht zu finden. Nachdem "L' Ancêtre" 1906 in Monte Carlo aus der Taufe gehoben wurde, geriet die Oper bald in Vergessenheit. Jetzt, mehr als 100 Jahre nach der Uraufführung, feiert sie im Prinzregententheater ihre Münchner Erstaufführung – in einer Produktion der Theaterakademie August Everding und des Münchner Rundfunkorchesters.
Bildquelle: © Jean-Marc Turmes
Die Handlung der Oper "L’Ancêtre" lässt an Dramatik nichts zu wünschen übrig: Seit Jahren herrscht ein blutiger Streit zwischen zwei verfeindeten Familien auf der Insel Korsika. "L’Ancêtre", die titelgebende Ahnin, fordert Blutrache. Ihre Enkelin Vanina soll Tebaldo ermorden, aber gerade in den ist sie verliebt – Romeo und Julia lassen grüßen. Und auch bei Camille Saint-Saëns geht die Geschichte nicht gut aus. "Liebe, Hass, Blut, Krieg: Wir haben alle Gefühle, die die Menschen bewegen", sagt Dirigent Matthias Foremny. "Und alles komprimiert in 90 Minuten – das fühlt sich an wie ein Einakter und hat etwas Filmisches. Es ist eine Oper, die wirklich aus dem Leben gegriffen ist."
Am Ende stirbt die Enkelin, aber die Ahnin bleibt am Leben und wird wahrscheinlich weiterhin ihren Hass predigen. Allerdings endet die Musik im lichtesten Dur – und lässt den Hass so nicht ganz siegen. Insgesamt wirkt Saint-Saëns' Musik zur "Ahnin" durchaus klangmalerisch und sinnlich – voller Ideen und herrlicher Melodien, aber auch mit dramatischem Drive.
Für mich steckt die große Frage nach einer Mutterfigur dahinter.
Camille Saint-Saëns: "L'Ancêtre" mit der Theaterakademie August Everding (Probenfoto) | Bildquelle: Jean-MarcTurmes Regisseurin Eva Maria Höckmayr entscheidet sich in ihrer Inszenierung für ein düsteres Ambiente. Geköpfte Körper - grau, blau und schwarz bekleidet – hängen von der Decke. An verschieden langen Zügen schweben die Figuren in der Luft – erst nebeneinander, später dann auch mal versetzt mitten im Raum. Es sind die verstorbenen Ahnen, die mal mehr, mal weniger durch weißes oder gelbliches Licht in den Vordergrund rücken. Das Bühnenbild wird auf diese Art zu einer wandelbaren Rauminstallation, in und unter der sich alle Akteure bewegen. "Es ist ein Gefühlsanstoß, ein sehr sinnliches Opernerlebnis", erklärt die Regisseurin ihr Konzept. "Eine Bildsprache, die man intuitiv sehr gut aufsaugen kann. Für mich steckt dahinter eigentlich die große Frage nach einer Mutterfigur. Und wie eine junge Generation damit umgeht, dass in ihrem Umfeld alles lebensfeindlich eingestellt ist."
Die Sopranistin Heike Grötzinger ist in der Rolle der rachsüchtigen Ahnin Nunciata zu sehen und zu hören. Tenor Thomas Kiechle singt den Tébaldo. Alle anderen Gesangspartien übernehmen Studierende der Theater-Akademie August Everding. "Das Faszinierende ist, dass junge engagierte Sängerinnen und Sänger unter absolut professionellen Bedingungen ein unbekanntes Stück aufführen werden", freut sich Matthias Foremny. "Sie bringen das mit einem unglaublichen jugendlichen Drive und einer tollen Begeisterung 'rüber, die man sich auf renommierten professionellen Bühnen manchmal wünschen würde."
Camille-Saint-Saëns: "L'ancêtre"
Drama lyrique in drei Akten
München, Prinzregententheater
Mittwoch, 20. März, 19:30 Uhr
Freitag, 22. März, 19:30 Uhr
Dienstag, 26. März, 19:30 Uhr
Donnerstag 28. März, 11:00 Uhr (Klassik zum Staunen)
Samstag, 30. März, 19:30 Uhr
Kooperation mit der Theaterakademie August Everding und Palazzetto Bru Zane - Centre de musique romatique française
Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Matthias Foremny
Sendung: "Allegro" am 21. März 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK