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Kritik – "Ariadne auf Naxos" in Augsburg Rollenspiel mit doppeltem Boden

Regisseur Dirk Schmeding setzt bei seiner Augsburger Inszenierung von Richard Strauss' "Ariadne auf Naxos" auf die Unterschiedlichkeit der beiden Teile des Werks. Als "Oper in der Oper" mit ständig wechselnden Bezugsebenen bringt er das Stück voller ironischer Anspielungen auf die Bühne. Auch die Sänger und Sängerinnen überzeugen.

Lea-ann Dunbar, Kate Allen, Jihyun Cecilia Lee in "Ariadne auf Naxos" am Staatstheater Augsburg. | Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr

Eine reiche Familie lässt Kunst anliefern. Ob in den Transportkisten Bilder, Installationen oder Bühnenkünstler enthalten sind, interessiert die blasierte Gesellschaft im Hintergrund überhaupt nicht, wenn die Statussymbole nur angemessen arrangiert werden. Gelangweilt schaut der Erbe aufs Handydisplay, während im Lagerraum die Solisten ausgepackt werden und die großen Fragen der Oper, der Musik sowie der lebensnotwendigen Kompromisse diskutiert werden. Das kunsttheoretische Vorspiel zur eigentlichen Oper "Ariadne auf Naxos" kann spröde und langatmig ausfallen, aber schon hier setzt Regisseur Dirk Schmeding Akzente, die das Publikum bei der Stange halten.

Ironischer Blick auf den Kunstbetrieb

Torsten Hofmann, Olena Sloia und Wiard Witholt in "Ariadne auf Naxos" am Staatstheater Augsburg | Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr Torsten Hofmann, Olena Sloia und Wiard Witholt in "Ariadne auf Naxos" am Staatstheater Augsburg | Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr Seine Bühnenbildnerin Martina Segna hat dafür einen weißen Raum mit Rolltor entworfen, der der sich einerseits bruchlos in die Industriehalle des Martiniparks eingefügt, andererseits die gesichtslose Protzarchitektur eines geschmacklosen Geldadels karikiert. Während die Familie den Streit der Künstler im Vorspiel noch aus der Ferne gelangweilt zur Kenntnis nimmt, wird sie das eigentliche Happening im zweiten Teil komplett verpassen, erscheint erst, wenn alles schon vorbei ist. Schmeding und sein Kostümbildner Valentin Köhler lässt die Bühnenkünstler nach der Pause nämlich unter die Konzeptkünstler fallen. Damit ironisieren sie gleich den eigenen Berufsstand, dem Text und Partitur oft nur noch Vorlage für allenfalls lose mit der Handlung verbundene Bildeinfälle sind. Najade, Dryade und Echo werden zu Made, Raupe und Tintenfisch, Teer tropft aus einem Bild, amorphe Skulpturen stehen im Weg. Über einen tieferen Sinn muss niemand nachdenken, ist halt Kunst.

Rasanter Wechsel der Bezugsebenen

Hier vermischt Dirk Schmeding, der im vergangenen Jahr schon Dai Fujikuras "Solaris" inszenierte, mit dem sehr spielfreudigen Augsburger Ensemble hochvirtuos die Spiel-, Handlungs- und Zeitebenen. Ariadne wartet im aufrechtstehenden Sarg auf den ersehnten Tod, offenbar schon ziemlich lange, denn sie erinnert an Morticia Addams, die Untote aus der amerikanischen Comedy-Serie "The Addams Family". Wenn Bacchus in kurzen Hosen aus dem Schlauchboot steigt, steht er offenbar mächtig unter Hormondruck und möchte mit der merkwürdigen Braut gleich loslegen, aber sie will erst reden über Leben und Tod, Liebe und Verzicht. Das geht ihm mächtig auf die Nerven, während der Komponist immer noch ins Stück eingreift, dem Orchester im Graben Notizen reicht und schon mal die Sänger neu arrangiert. Dabei gelingen Schmeding, Segna und Köhler immer wieder subtile Akzentverschiebungen, etwa, wenn Bacchus sich beim Komponisten für Hilfe und Unterstützung bedankt statt bei Ariadne. Für einen Moment fällt der Sänger aus seiner Rolle, vielleicht schauen wir auf eine Probensituation, auf ein Spiel im Spiel oder auch nur auf eine leicht versponnene Traumvision? Die Ebenen wechseln schnell, jeder Zuschauer kann, darf und soll für sich entscheiden, wie er das Geschehen deuten will.

Zündende Koloraturenfeuerwerke

Natalya Boeva, Jacques le Roux, Sally du Randt in "Ariadne auf Naxos" am Staatstheater Augsburg. | Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr Natalya Boeva, Jacques le Roux, Sally du Randt in "Ariadne auf Naxos" am Staatstheater Augsburg. | Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr Das funktioniert auch deshalb wie ein Vexierbild, weil alle Sängerinnen und Sänger ihre Rollen szenisch in der Schwebe halten können, während sie genau fokussiert musizieren. Sally du Randt ist eine melancholisch verpeilte Ariadne mit treffsicherem, aber nie scharfem Sopran, Jacques le Roux singt die undankbare Tenorpartie des Bacchus mit nie nachlassendem, metallischem Strahl und einem lässigen erotischen Charme, der die Rolle stark aufwertet. Natalya Boeva, die im vergangenen Jahr den ersten Preis beim ARD-Musikwettbewerb gewann, lässt den Komponisten zwischen Verzweiflung und Zuversicht schwanken, Alejandro Marco-Buhrmester ist ein angemessen engagierter Musiklehrer und Wiard Witholt hebt den Harlekin aus der überzeugenden Komödiantentruppe heraus. Einen besonderen Akzent hat Dirk Schmeding sich für Zerbinetta bis zum Schluss aufbewahrt: Olena Sloia brennt nicht nur das nötige Koloraturenfeuerwerk in der großen Arie ab, sie schafft es gleichzeitig, in der Schilderung ihrer rastlosen Suche nach immer neuen sexuellen Abenteuern eine tiefe Melancholie musikalisch mitschwingen zu lassen. Das üblicherweise kokett dem hohen Paar nachgerufene "Kommt der neue Gott gegangen" im Finale wird so zu einem herzzerreißenden Fanal der Vergeblichkeit und Trauer.

"Ariadne auf Naxos" von Richard Strauss in Augsburg

Musikalische Leitung: Domonkos Héja
Inszenierung: Dirk Schmeding
Mit u.a. Sally du Randt, Jacques le Roux, Erik Völker

Mehr Informationen auf der Homepage des Staatstheaters Augsburg.

Sendung: "Allegro" am 30. September 2019 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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