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Kritik – Mozarts "Così fan tutte" bei den Salzburger Festspielen Weniger ist mehr

Im letzten Jahr war es geradezu sensationell, dass die Salzburger Festspiele nicht nur stattfanden, sondern auch szenische Opern zeigten. Mozarts "Così fan tutte" wegen Corona in einer geschickt gekürzten Fassung ohne Pause. Regie führte Christof Loy, am Pult der Wiener Philharmoniker stand damals erstmals bei einer Salzburger Premiere eine Frau: Nämlich Joana Mallwitz, die sonst Generalmusikdirektorin in Nürnberg ist. Nach der umstrittenen Don-Giovanni-Premiere gab es nun gestern Abend mit der Wiederaufnahme der Così-Produktion des letzten Jahres die zweite Mozart-Oper in Salzburg.

Szene aus "CosÍ fan tutte" bei den Salzburger Festspielen 2021 | Bildquelle: SF / Monika Rittershaus

Bildquelle: SF / Monika Rittershaus

Kurz nach dem aktuellen Salzburger Don Giovanni wirkt diese "Così fan tutte" wie der größtmögliche Gegensatz, wie eine smarte Alternative: Seht her, so einfach kann’s auch gehen. Während Regisseur Romeo Castellucci in seinem "Don Giovanni" eine ebenso überwältigende wie ermüdende Materialschlacht entfesselt hat, reduziert Christof Loy in seiner Così-Inszenierung den Aufwand auf ein Minimum. Seht her, scheint Loy zu sagen, so wenig braucht man für einen geglückten Opernabend: eine weiße Wand, zwei Türen, drei oder vier Requisiten, schwarze Abendkleidung, ein paar bunte Klamotten zum Verkleiden und sechs lebendige, leidende, liebende Menschen. Menschen, die immer einen oder eine zu viel lieben und deshalb voller Unruhe sind, in ständiger Bewegung, sich anziehend und abstoßend.

Überirdisch schöne Musik zu einer unterirdisch bösen Geschichte

Loy schafft eine berührende Intimität zwischen den Figuren. Es sind zeitgenössische Menschen, ihre Körpersprache ist die von Leuten auf der Straße. Dorabella und Fiordiligi sind beste Freundinnen und zelebrieren das, Ferrando und Guglielmo nette Kumpels von nebenan, Don Alphonso ein agiler älterer Typ, der das erotische Spiel nicht lassen kann, auch wenn für ihn selbst dabei nichts mehr zu gewinnen ist. Außer einer fiesen Wette, die alle durcheinanderbringt, bis keiner mehr weiß, wer wirklich liebt und wer nur spielt. Regisseur Christof Loy tut klugerweise nicht so, als sei das alles realistisch. Die Personenführung hält geschickt die Balance zwischen Psychologie, Komödie und eher abstrakten Bewegungsmustern. Und bleibt, auch wenn die Kostüme aus der Gegenwart kommen, ganz nah beim Text. Loy hat keine These und will nichts beweisen, niemanden entlarven oder bloßstellen – einfach nur Menschen zeigen, die interagieren, angetrieben von überirdisch schöner Musik und einer unterirdisch bösen Geschichte, die komplett künstlich und doch lebensnah ist. Das ist charmant, bescheiden und unspektakulär gut.

Elsa Dreisig – beseelt und emotional glaubwürdig

Szene aus "CosÍ fan tutte" bei den Salzburger Festspielen 2021 | Bildquelle: SF / Monika Rittershaus Andrè Schuen (Guglielmo), Elsa Dreisig (Fiordiligi) | Bildquelle: SF / Monika Rittershaus Spektakulär gut ist Elsa Dreisig. Diese Fiordiligi, die sich so ungezwungen auf der Bühne bewegt, egal ob barfuß oder in Pumps, diese sympathische, ganz bei sich gebliebene Frau mit blonden Strähnen und dezentem Tattoo fesselt auch stimmlich gerade durch ihre Natürlichkeit. Und das bei Arien, die technisch enorm fordern. Riesige Sprünge vom tiefsten ins höchste Register muss sie bewältigen – und Elsa Dreisig gelingt das spielend. Das klingt bei aller Strahlkraft immer weich, beseelt und emotional glaubwürdig. Dreisig steckt an mit ihren Zweifeln und ihrer Begeisterung, unangestrengt und berührend.

Die übrigen Sängerinnen und Sänger sind alle ganz nah dran an diesem Niveau. Marianne Crebassa als Dorabella hat einen reizvoll dunkel timbrierten, farbigen Mezzo. Bogdan Volkov als Ferrando einen etwas metallischen, sicher geführten Tenor, der in der Leidenschaft noch mehr überzeugt als in der Lyrik. Exzellent auch Andrè Schuen als Guglielmo mit sattem, perfekt sitzendem Bariton. Johannes Martin Kränzle ist schauspielerisch der beste, ein nervöser Strippenzieher, dem mit Lea Desandre als Despina eine angenehm leichte Stimme zur Seite steht.

Joana Mallwitz überzeugt am Pult der Wiener Philharmoniker

Das alles wird musikalisch auf den Punkt gebracht von Joana Mallwitz. Ihr Mozart ist lebendig, gut phrasiert, hat Puls und Atem. Auch sie will nichts beweisen oder gegen den Strich bürsten. Mit Natürlichkeit, Temperament und Präzision inspiriert sie die luxuriös klingenden Wiener Philharmoniker, von denen man sich nur wünschen würde, dass sie ihren Wohlfühlmozart etwas schlanker und konturierter spielen. Mehr braucht es nicht für einen geglückten Opernabend. Und wenn das einfache das schwerste ist, wie es immer heißt, dann ist das an diesem Abend nicht zu spüren.

Sendung: "Piazza" am 7. August 2021 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Samstag, 07.August, 15:16 Uhr

Wilfried Schneider

WENIGER IST MEHR

Christof Loy ist einer der ganz wenigen Regisseure, die Opern noch inszenieren können. Sein "Cosi fan tutte" ist, ja, fast ein Solitär unter den letzten ziemlich dümmlichen "genialen" Opern"inszenierungen". Oft herrscht das Motto "was hat mit der Oper nichts zu tun, das machen wir" vor. Die Musik interessiert oft nicht mehr, nur das Ego ist wichtig (letztes schlimmes Beispiel der "Holländer" in Bayreuth, auch der Münchner "Tristan" fällt übrigens in diese Kategorie). Die zweieinhalb Stunden in Salzburg waren reines Mozart-Glück! Danke an die Sängerinnen und Sänger, an Frau Mallwitz und großen Dank an Christof Loy und sein Team.

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