Giuseppe Verdis "Rigoletto" ist ein Publikumsmagnet und sorgt seit Jahrzehnten für volle Häuser. Da wundert es nicht, dass die Staatsoper Berlin in Zusammenarbeit mit der krisengebeutelten Metropolitan Opera in New York das Stück auf den Spielplan gesetzt hat. Bei der Premiere zeigten sich jedoch deutliche Risse im Fundament der Inszenierung.
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Das Operngeschäft ist kein leichtes, aber es wird sicher nicht einfacher, wenn dieses Mühsal einer Inszenierung jederzeit anzusehen ist. Dieser "Rigoletto" jedenfalls war so nichtssagend, belanglos und einfallsfrei, dass von ihm wirklich nur das Prädikat "unkaputtbar" übrig blieb, wofür am Ende mit Mühe und Not fünf Minuten Applaus und ein paar gelangweilte Buhrufe zustande kamen. Der New Yorker Regisseur Bartlett Sher war da vor allem als Dekorateur zugange, wobei ihn auch das zu überfordern schien. Zu sehen war nämlich ein "Rigoletto" in irgendeinem faschistischen Staat, den schwarzen Uniformen nach zu urteilen. Gleichzeitig waren die Wände der dargestellten, säulenverzierten, von Michael Yeargan entworfenen Lobby aber mit George-Grosz-Karikaturen übersät, der sich in der Weimarer Republik bekanntlich über die Kriegsgewinnler und Rechtsextremen gehörig lustig machte.
Michael Fabiano als Herzog von Mantua. An seiner Seite: Serena Sáenz als Gräfin Ceprano | Bildquelle: © Brinkhoff/Mögenburg Das passte nicht zusammen, wie alles andere auch, wird in New York an der Met bei künftigen Vorstellungen aber vielleicht als "cooles" Berlin-Zitat geschätzt. Letztlich sah das aber optisch mehr nach einer Satire aus auf den berühmten Luchino-Visconti-Film "Die Verdammten" über die Nazi-Verstrickungen der Essener Krupp-Familie, nur leider ohne Helmut Berger, dafür mit Hofnarr. Unfassbar konfus und uninspiriert ließ Bartlett Sher die Sänger durch die Kulisse irren und richtete damit bei ihnen leider auch stimmlich erheblichen Schaden an. Weil die Solisten offenbar merkten, wie allein gelassen sie waren, setzten sie auf umso lautstärkere und auftrumpfendere Töne.
Das wurde zuerst dem amerikanischen Tenor Michael Fabiano als Herzog von Mantua zum Verhängnis, der schon im zweiten Akt so heiser war, dass er sich Buhrufe einfing. Allerdings kam auch der wirklich wunderbare britische Bariton Christopher Maltman in der Titelrolle gegen Ende an seine Grenze, so sehr hatte er sich verausgabt. Nur die amerikanische Sopranistin Nadine Sierra als Gilda blieb von allem unbeeindruckt und ließ ihre Spitzentöne wie Zuchtperlen glänzen, allerdings auch so glatt und perlmuttfarben. Berührend war das nicht, zumal sie zeitweise in ein Badetuch gewickelt über die Bühne staksen musste, als ob sie in Bad Kissingen mit Wassertreten beschäftigt war.
Nadine Sierra als Gilda | Bildquelle: © Brinkhoff/Mögenburg Der kolumbianische Dirigent Andrés Orozco-Estrada war viel zu hektisch und kleinteilig unterwegs, um die Verdifarben leuchten zu lassen. Da wäre weniger eindeutig mehr gewesen, vor allem weniger nervöses Vibrieren mit dem Taktstock. Insgesamt also eine äußerst fragwürdige Produktion, gerade weil sie so kalkuliert wirkte, als ob sie auf Biegen und Brechen mehrheitsfähig gemacht werden sollte. Möglicherweise tat sich da aber auch die Kluft zwischen dem angloamerikanischen Musiktheater und dem europäischen gähnend weit auf. In Amerika ist diese Art unverfängliche Ausstattung mit Spurenelementen von Regie immerhin eine Möglichkeit, sich private Geldgeber gewogen zu halten. Und im Übrigen sollen ja auch Kino-Übertragungen für zusätzliche Einnahmen sorgen. Das erklärt zum Teil die Setzkästen auf der Bühne, die wie Studiokulissen aussahen. Im Fernsehen macht das also vielleicht sogar Sinn.
Giuseppe Verdi:
"Rigoletto"
Oper in drei Akten
Herren des Staatsopernchores
Staatskapelle Berlin
Musikalische Leitung: Andrés Orozco-Estrada
Regie: Barlett Sher
Bühnenbild: Michael Yeargan
Informationen zu Terminen und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage der Staatsoper Berlin.
Sendung: "Allegro" am 04. Juni 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Freitag, 14.Juni, 14:10 Uhr
Prof. em. Dr. Rainer-Reginald Miethke
Ihre Kritik
Sehr geehrter Herr Jungblut,
fast hätte ich an meinem Verstand/Geschmack gezweifelt, hätte ich nach dem Besuch des Rigolettos nicht Ihre Kritik gelesen. Toll, auf den Punkt. Der Herzog singt immer noch durchgehend aus voller Brust und ohne jegliche Modulation - hat wahrscheinlich (leider) Ihre Kritik nicht gelesen. Dafür hat er gottlob auch nur gebremsten Schlussapplaus bekommen. Zwar ist das Stimmvolumen gewaltig, aber singt der so laut, weil er in den USA vor 4.000 Zuhörern vorträgt, oder weil die USA ein Kontinent ist, oder ist das amerikanischer Stil? Aber auch den Rigoletto fand ich so viel besser nicht. Und die Gilda? Deutlich besser, doch in den Höhen ziemlich schwach. Aber wer die Callas einmal gehört hat, ist eben für immer verdorben ...
Schließlich Verdi - genial, wie Sie schreiben: unzerstörbar. Gottseidank.
Vielen Dank
R.-R. Miethke