Musik macht schlau – das hört man immer wieder. Aber stimmt das eigentlich? Was genau passiert in unserem Gehirn, wenn wir musizieren? Die angehende Astronautin und Hobbymusikerin Suzanna Randall hat den Neurologen Eckart Altenmüller befragt.
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Klavier spielen ist mein Hobby. Mit sechs Jahren hatte ich meinen ersten Klavierunterricht. Jetzt, während meiner Ausbildung zur Astronautin, habe ich leider wenig Zeit zu üben, aber ich sitze immer noch gern am Klavier. Auch viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft sind musikalisch. Das ist kein Zufall, hat der Neurologe Eckart Altenmüller während seiner Forschung beobachtet: "Intelligente Menschen haben oft ein besseres Hörvermögen, ein besseres Gedächtnis und auch ein besseres Reaktionsvermögen. Und sie lernen auch leicht ein Instrument."
Intelligente Menschen haben oft ein besseres Hörvermögen und lernen leicht ein Instrument.
Eckart Altenmüller ist Professor für Musikphysiologie und Musikermedizin an der Musikhochschule in Hannover. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Eckart Altenmüller ist Professor für Musikphysiologie und Musikermedizin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Dort erforscht er, was in Musikergehirnen passiert. Mit einem Kernspintomographen kann er quasi in das Gehirn hineinschauen. Wenn jemand im Alter zwischen 12 und 16 Jahren jeden Tag vier Stunden Klavier gespielt hat, kann Altenmüller das an den Gehirnstrukturen erkennen: "Die Handregionen, die Hörregionen und das Kleinhirn für die Koordination sind größer."
Warum ist Singen gut fürs Immunsystem? Wie klingt das Weltall? Und wie musizierten die Menschen in der Steinzeit? Auf diese und andere spannende Fragen antwortet der neue Wissens-Podcast "Kosmos Musik" mit der Astrophysikerin und angehenden Astronautin Suzanna Randall. Jede Woche donnerstags eine neue Folge: bei BR Podcast, in der ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
Das zentrale Nervensystem im Gehirn passt sich den Umständen an und kann sich ein Leben lang weiterentwickeln. | Bildquelle: Collage BR/Nadja Pfeiffer/colourbox Auf vier Stunden Klavier üben hab ich es nie gebracht. Aber dafür habe ich früh mit dem Instrumentalunterricht angefangen. Und auch lassen sich erstaunliche Effekte beobachten, erklärt mir Eckart Altenmüller: "Wenn man sehr schnelle Finger möchte, muss man bis zum Alter von sieben Jahren angefangen haben." Dann wird das Gehirn gewissermaßen so aufgebaut, dass es eine Art Gerüst bildet, in das man lebenslang seine Fertigkeiten einfüllen kann. "Ich kann dann auch noch spät im Alter ganz viel dazulernen." Neuroplastizität ist der Fachbegriff dafür: Das zentrale Nervensystem im Gehirn passt sich den Umständen an und kann sich weiterentwickeln. Eine tolle Sache! Denn dadurch sind wir in der Lage, neue Dinge zu lernen. Es kommt dann zu einer besseren Signalübertragung an den Synapsen, also den Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen.
Wir können diese Neuroplastizität ganz gezielt hervorrufen, indem wir bestimmte Gehirnareale bewusst trainieren, wenn wir ein Instrument spielen. Und sogar, wenn wir regelmäßig bewusst Musik hören! An Eckart Altenmüllers Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin gab es dazu eine Studie: 65-Jährige bekamen ein Jahr lang Unterricht in "Musik erleben und verstehen". Der Verlust der Gehirnsubstanz war bei ihnen geringer als bei gleichaltrigen Menschen ohne passive Musikbeschäftigung. "Auch noch im Alter kann man mit der Musik gewissermaßen die Degeneration aufhalten und Neuroplastizität erzeugen", schlussfolgert Altenmüller aus diesen Studienergebnissen. Für das Musizieren ist es nie zu spät.
Musik, die wir gern hören, regt unser Gehirn an und erleichtert uns das Lösen schwieriger Aufgaben. | Bildquelle: colourbox.com Zusammen Musik hören stimuliert also das Gehirn bis ins hohe Alter. Aber kommt es auch darauf an, was ich für Musik höre? Aktiviert Mozart meine Synapsen vielleicht stärker als New Age Musik? Das suggerierte immerhin 1993 eine Studie aus dem Jahr 1993 an der University of California, Irvine. Dort lieferten Studentinnen und Studenten bei einem Intelligenztest bessere Leistungen ab, nachdem sie eine Mozart-Sonate gehört hatten. Doch der angebliche "Mozart-Effekt" geriet schnell in die Kritik. "Der Effekt hält nur 20 Minuten an und hat auch nichts mit Mozart zu tun, sondern ist ein reiner Präferenzeffekt", erklärt Eckart Altenmüller. Ich könnte vor einem IQ-Test auch Stephen-King-Geschichten hören, Shakespeare-Sonette oder Heavy Metal, wenn ich das gerne mag. Denn was mir gefällt, wird mein Gehirn anregen und mir das Lösen der Aufgaben erleichtern.
Ob Musik allerdings langfristig den IQ steigert, das ist laut Altenmüller umstritten. Was die Forscherinnen und Forscher aber sehr sicher wissen: Kinder, die Musikunterricht hatten, haben eine bessere Aufmerksamkeitssteuerung und können sich länger konzentrieren. Sie machen auch weniger Rechtschreibfehler im Diktat und können besser vorlesen. Musizieren in der Kindheit lohnt sich also aus vielen Gründen!
Sendung: "Allegro" am 3. Februar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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