Am 13. September kommt "Mackie Messer - Brechts Dreigroschenfilm" in die Kinos. Lars Eidinger spielt Bert Brecht. Im Interview spricht er über die Vorbereitung auf diese Rolle, was Brecht für ihn bedeutet - und wie er als ehemaliger Raucher Brechts hohen Zigarrenkonsum darstellen konnte, ohne wieder süchtig zu werden.
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BR-KLASSIK: Wie haben Sie sich dem Menschen Bertolt Brecht angenähert: über seine Werke oder über alte Filmaufnahmen? Oder haben Sie massenweise Biografien studiert?
Lars Eidinger: Nein, dazu bin ich nicht der Typ, das ist irgendwie nicht meine Herangehensweise. Ich verehre den Schauspieler Burghart Klaußner wirklich sehr, und ich meine das gar nicht so wie es jetzt vielleicht klingt, aber ich hatte gelesen, dass er den alten Brecht in der Verfilmung von Breloer gespielt und dann im Interview gesagt hat, er sei im Brecht-Archiv untergetaucht. Da musste ich ein bisschen schmunzeln. Heutzutage kann man im Grunde alles im Internet finden. Man muss nur Brecht googeln und dann ploppt alles auf: nahezu jede Tonaufnahme, Bilder, auch bewegte Bilder, wo man sieht, wie er probt und so weiter. Sowas schaue ich mir an, aber nicht mit dem Anspruch, das irgendwie zu imitieren. Das könnte ich gar nicht - eher um meine Fantasie anzureichern. Inhaltlich war mir Brecht sowieso schon immer sehr nah. Ich habe Schauspiel studiert, da kommt man um Brecht nicht herum. Brecht begleitet mich schon so lange, da musste ich mich jetzt nicht speziell vorbereiten, weil ich einfach voll im Stoff war.
Kein Mensch wird darauf reinfallen, dass ich Bertolt Brecht bin.
BR-KLASSIK: Sie wurden jetzt mit dem "Menschen" Brecht konfrontiert und gar nicht so sehr mit seinem Werk - außer eben sekundär mit der "Dreigroschenoper". Letztlich mussten Sie ja ihn als Figur verkörpern.
Lars Eidinger: Ein bisschen habe ich aus der Not eine Tugend gemacht, weil ich das im Grunde gar nicht kann: Leute imitieren. Das ist in gewisser Weise diametral zu meiner eigentlichen Arbeitsweise; von außen nach innen zu gehen. So arbeite ich eigentlich nicht als Schauspieler. Ich versuche es eher umgekehrt. Ich fange bei mir an und versuche es dann zu veräußern. Kein Mensch wird darauf reinfallen, dass ich Bertolt Brecht bin, sondern letztendlich zeige ich in dem Film, wie ich ihn spiele oder interpretiere. Tatsächlich sehe ich mich eher in der Funktion den Geist Brechts, aufleben zu lassen.
BR-KLASSIK: Im Film haben Sie häufig einen Zigarrenstummel im Mund oder eine lange Zigarre, und sprechen sogar damit. Rauchen Sie oder haben Sie sich das für den Film angewöhnt?
Lars Eidinger: Es ist so auffällig, dass man damit immer konfrontiert oder danach gefragt wird. Es fällt auch auf, dass es kaum ein Bild gibt, wo Brecht nicht die Zigarre in der Hand hat. Ich wusste, ich komme da nicht drumherum, hatte aber ein bisschen Angst. Ich rauche seit Jahren nicht mehr und wollte jetzt nicht über den Film wieder rückfällig werden. Aber es gibt für Schauspieler eine Möglichkeit: Es gibt Kräuterzigaretten. OhneTabak, ohne Nikotin. Ich habe gefragt, ob es so etwas auch als Zigarre gibt. Die wurden dann ganz aufwändig aus den USA besorgt. Am ersten Drehtag lagen da 30 Zigarren und die sind relativ teuer - eine kostet 20 Dollar. Aber mit 30 Zigarren kam ich nicht hin, auch weil wir viele Sachen wiederholen mussten. Am Ende waren es zehn Zigarren am Tag, und mir rauchte dann im wahrsten Sinne der Kopf.
BR-KLASSIK: Wie viele dieser Zigarren haben sie insgesamt verqualmt?
Lars Eidinger: Ich glaube, ich hatte 25 Drehtage. Das kann man ausrechnen, und dann weiß man, was allein die Zigarren an Budget gefressen haben. (lacht)
Wenn man Brecht zuhörte, würde die Menschheit einen ganzen Schritt weiterkommen.
BR-KLASSIK: Was macht die Geschichte der Verfilmung der "Dreigroschenoper" eigentlich so erzählenswert, wo doch Brecht mit seinen Ideen am Ende gescheitert ist?
Lars Eidinger | Bildquelle: picture alliance/Carsten Koall/dpa Lars Eidinger: Genau das macht es eigentlich erzählenswert. Wobei es auch ein Stück weit frustrierend ist, dass man dieses 100 Jahre alte Werk wie eine Folie auf die heutige Zeit legen kann und sich eigentlich an den Umständen nichts verändert hat. Es scheint etwas zu sein, was den Menschen immanent ist. Was die Geschichte heute erzählenswert macht, ist die Hoffnung, dass man Brecht endlich zuhört, denn dann würde die Menschheit einen ganzen Schritt weiterkommen, glaube ich.
BR-KLASSIK: Können Sie uns abschließend eine dieser Brecht'schen Aphorismen mit auf den Weg geben?
Lars Eidinger: "Die Widersprüche sind die Hoffnung". Das ist für mich der wichtigste Satz im Schaffen Brechts, und der ist auch zu meinem Credo geworden. Es ist ein Gedanke, bei dem man erst mal denkt: Moment mal, das ist aber paradox. Es ist, so glaube ich, ein Schlüssel nicht nur zur Kunst, sondern zum Leben. Der Widerspruch ist nicht das Ende eines Raums, sondern der Anfang.
Sendung: "Leporello" am 12. September 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK