BR-KLASSIK

Inhalt

Martin Stadtfeld und Kian Soltani im Gespräch "Man muss sich die Neugier bewahren"

Beim Münchner Festival "Stars & Rising Stars" treten Junge Spitzenkünstler gemeinsam mit Stars auf - an ungewöhnlichen Orten, und speziell für ein junges Publikum. Im Münchner Technikum im Werksviertel trifft heute Abend Pianist Martin Stadtfeld auf den Cellisten Kian Soltani. Mit BR-KLASSIK sprachen die beiden über ihr erstes Aufeinandertreffen, Übungsrituale am Morgen, und die Neugier in der Musik.

Bildquelle: © Yvonne Zemke

Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Martin Stadtfeld und Kian Soltani, Sie treten heute Abend erstmals zusammen im Konzert auf. Gibt es ein Bild, dass Sie vorab voneinander hatten?

Martin Stadtfeld: Ich versuche immer, wenn ich jemandem das erste Mal begegne, möglichst ohne ein Bild in die Situation zu gehen. Natürlich habe ich schon einmal ein Foto von Kian Soltani gesehen. Er ist im Moment in aller Munde und man stolpert immer wieder über seinen Namen. Es wird ja auch viel geredet über Leute: Die Leute haben ein bestimmtes Image, stehen für irgendetwas. Ich habe es nicht so gerne, wenn Dirigenten oder Kammermusikpartner gleich zu mir sagen "Du spielst ja immer Bach" oder "Wahrscheinlich spielen Sie das jetzt so und so". Ich will auch überraschen und überrascht werden. Es geht darum, sich diese Neugier zu bewahren und im gemeinsamen Moment, wenn man sich trifft und spürt: Ja, hier passiert was, man macht jetzt Musik - das dann einfach auch zu genießen. Und das klappt hier wunderbar.

BR-KLASSIK: Wie empfinden Sie das, Herr Soltani?

Kian Soltani: So ähnlich. Wir haben zunächst einfach ein Stück ganz durchgespielt, ohne zu sprechen. Das ist eigentlich immer ein gutes Zeichen.

Ich übe jeden Morgen Tonleitern - es ist fast wie eine Meditation am Morgen.
Kian Soltani, Cellist

 Pianist Martin Stadtfeld | Bildquelle: © Yvonne Zemke Martin Stadtfeld | Bildquelle: © Yvonne Zemke BR-KLASSIK: Wie geht es bei Ihnen denn morgens los mit dem Üben?

Kian Soltani: Ich beginne mit Tonleitern - jeden Tag. Früher war das eher eine Intonations- oder Klangübung. Mittlerweile ist es fast so etwas wie eine Meditation am Morgen.

BR-KLASSIK: Wie ist das bei Ihnen, Herr Stadtfeld?

Martin Stadtfeld: Am Klavier spielt man andauernd Tonleitern, die halbe Klavierliteratur besteht daraus. Ich habe aber nie Etüden gespielt, also nie reine Fingerübungen. Das ist typisch für Cellisten oder Geiger, diese stärkere Instrumentenfixierung, die man auf diesen Instrumenten auch braucht. Das Klavier ist tatsächlich etwas abstrakter. Es geht eher darum, das, was ich im Kopf studiere und in meinen Gedanken oder Gefühlen erarbeite, irgendwann auch umzusetzen.

Wir Pianisten haben ein wenig das Problem, dass wir sehr um uns selbst kreisen.
Martin Stadtfeld

BR-KLASSIK: Als Pianist können Sie Ihr Instrument nicht überallhin mitnehmen. Sie haben immer wieder ein anderes Instrument. Es gibt vielleicht nicht diese persönliche Bindung wie etwa bei einem Cello, das man auf dem Rücken trägt.

Martin Stadtfeld: Wenn ich einem Klavier begegne für einen Abend, dann entsteht eine persönliche Verbindung für diesen Tag. Und es hat tatsächlich kein Konzert gegeben, in dem ich nicht über eine kleine Stelle etwas Neues erfahren hätte - auch durch das Instrument. Man ist in einer Wechselwirkung mit diesem Instrument. An sich ist es ein Vorteil, dass man nicht immer nur im eigenen Saft schmort. Wir Pianisten haben ohnehin ein wenig das Problem, dass wir sehr um uns kreisen. Wenn man keine Kammermusik spielen und dann auch noch mit seinem eigenen Klavier reisen würde - das würde autistische Züge annehmen.

BR-KLASSIK: Der Pianist ist also der Mann für den One-Night-Stand - zumindest am Klavier. Herr Soltani, wenn man sich Videos von Ihnen anschaut, schauen Sie beim Spielen irgendwo nach oben und sehen dabei unglaublich glücklich aus - während die Finger auf dem Griffbrett irgendetwas machen, das man nicht so genau nachvollziehen kann. Das war bei Dvorák so, das war bei Hadyn so. Bei einem Stück aber war es ganz anders. Mit dem Cello im Arm wirken Sie ganz innig verschmolzen.

Cellist Kian Soltani | Bildquelle: © Juventino Mateo Der Cellist Kian Soltani | Bildquelle: © Juventino Mateo Kian Soltani: Ja, das ist der "Persische Feuertanz". Es ist eine Komposition von mir und ist eigentlich als Zugabe gedacht. Traditionell spielt man nach einem Konzert immer ein Werk von Bach als Zugabe. Ich war auf der Suche nach etwas anderem. Ich habe also ein Stück geschrieben, inspiriert von meinen persischen Wurzeln - meine beiden Eltern kommen aus dem Iran. Ich bin zwar gebürtiger Österreicher, aber ich habe mich auch mit der persischen Musik auseinandergesetzt. Der "Persische Feuertanz" ist eher ein Spaßwerk, nicht sehr ernst zu nehmen. Wenn Sie sagen, dass ich anders aussehe, wenn ich dieses Stück spiele, hat es vielleicht damit zu tun, dass ich das geschrieben habe und es wirklich von innen kommt.

BR-KLASSIK: Auf jeden Fall macht es Lust darauf, mehr zu hören. Und es macht neugierig. Wie wichtig ist Neugier?

Kian Soltani: Ich finde, ein Künstler sollte immer neugierig sein. Das hat jetzt nicht zwingend etwas mit anderen Kulturen zu tun; es gibt auch genug Platz für Neugier innerhalb der Klassischen Musik. Für mich ist das immer sehr spannend.

Martin Stadtfeld: Letztlich ist die Neugierde auch ein Grund, weshalb man diesen Beruf ausübt. Manchmal zweifelt man auch an ihm. Man vermisst dann genau dieses Element der Neugierde und muss letztlich immer wieder zu dieser kindlichen Freude zurückfinden, die man früher empfunden hat. Es ist die Beschäftigung mit einem selbst. Wenn man älter wird, ist es die Beschäftigung mit dem, was einen als Kind geprägt hat, was tief im eigenen Bewusstsein schlummert. Ziel ist es, dies immer mehr auch in Interpretationen einfließen zu lassen, nicht nur Wiedergaben zu liefern, die den Erwartungen entsprechen. Ich empfinde es als eine Katastrophe, wenn ich sehe, wie Leute in Hochschulen teilweise mit Kopfhörern ihre Werke lernen. Ich selbst habe mich schon vor Jahren davon befreit. Ich höre eigentlich gar nichts mehr. Letztlich verstellt es auch den Weg zur Neugierde, wenn man zu voreingenommen ist aufgrund berühmter Aufnahmen.

Das Interview führte Sylvia Schreiber für BR-KLASSIK.

"Stars & Rising Stars" - Musikalische Begegnungen in München

Dienstag, 23, Mai, 19:00 Uhr
München, Technikum im Werksviertel, Grafinger Str. 6

Martin Stadtfeld (Klavier)
Kian Soltani (Violoncello)
Marc Bouchkov (Violine)

Programm:
Johann Sebastian Bach:
Chaconne d-Moll BWV 1004
David Popper: Ungarische Rhapsodie für Violoncello solo, op. 68
Camille Saint-Saens: Indtroduction und Rondo für Violine solo
Franz Schubert: Sonate in a-Moll für Arpeggione (Violoncello) und Klavier D. 821
Eugene Ysaye: Sonate Nr. 1 für Violine solo g-Moll, op. 27
Felix Mendelssohn Bartholdy: Klaviertrio d-Moll, op. 49

Hier finden Sie weitere Informationen zum neuen Münchner Festival "Stars & Rising Stars".

Sendung: Leporello am 23. Mai 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

    AV-Player