Die Neuinterpretation von Schillers "Ode an die Freude" aus Beethovens 9. Symphonie sorgte am 25. Dezember für Gänsehaut in Ostberlin. Sechs Wochen nach der Öffnung der Mauer fanden die "Berlin Celebration Concerts" statt. Der Bayerische Rundfunk war damals live dabei – inklusive Musikern aus Chor und Symphonieorchester. BR-KLASSIK erinnert am 9. November an dieses historische Ereignis.
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Gespräch mit Daniela Philippi zu Bernsteins Berliner Konzert 1989
Fast 30 Jahre stand die Mauer und trennte Ost- und Westdeutschland. Vor 30 Jahren, am 9. November 1989, wurde sie geöffnet. Deutschland war zwar noch nicht wiedervereinigt – man brauchte ein Visum, um über die Grenze zu gelangen –, die Öffnung war aber Grund genug zum Feiern. Eine musikalische Form der Feier fand im Rahmen zweier Konzerte statt: Die Berlin Celebration Concerts, am 23. Dezember in der Westberliner Philharmonie und am 25. Dezember im Schauspielhaus in Ostberlin.
Leonard Bernstein (rechts) und der damalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker | Bildquelle: picture-alliance/dpa Kein Geringerer als Leonard Bernstein leitete das bunt durchmischte und von Symbolkraft strotzende Orchester. Mit dabei waren, neben dem Chor des Bayerischen Rundfunks, Musiker aus Dresden, Berlin, London, New York, Paris, St. Petersburg – sowie aus dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Auf dem Programm stand Beethovens Neunte. Die Journalistin Daniela Philippi war damals am 25. Dezember beim Konzert im Schauspielhaus im ehemaligen Ostberlin als Reporterin dabei. Sie arbeitete beim Bayerischen Rundfunk und lässt zum 30-jährigen Jubiläum des Mauerfalls das historische Konzert Revue passieren. "Musik verbindet", sagt sie. Das Konzert soll musikalisch ausgezeichnet gewesen sein. Das, was es aber zu einem so einzigartigen Ereignis machte, war neben dem Zeitpunkt und dem Ort des Konzerts, die Zusammensetzung des Orchesters: "Man hat ja ganz bewusst die Musiker aus den Ländern geholt, einerseits aus den früheren Besatzungsmächten, andererseits der Bundesrepublik und der DDR. Und das Symbolträchtigste war natürlich, dass Leonard Bernstein immer 'Freiheit, schöner Götterfunken' statt 'Freude, schöner Götterfunken' hat singen lassen. Also immer, wenn das Wort 'Freude' bei Beethoven kommt, hat er 'Freiheit' singen lassen."
Leonard Bernstein hat gemeint, dass Beethoven damit einverstanden gewesen wäre.
Die Idee zu den zwei Konzerten, eines in Ostberlin, eines in Westberlin, hatte der Dirigent und Moderator Justus Frantz. Die Neunte Symphonie von Beethoven war natürlich eine bewusste Wahl: "An die Freude" sei der beste Ausdruck von Freude, den man sich nur vorstellen kann, sagte Justus Frantz 1989. Außerdem verbinde Beethoven Ost und West unabhängig von aller Politik: "Beethoven ist als deutscher Komponist vielleicht auch das gemeinsame Band mit dem Osten auf der Basis der Kultur und nicht eben auf der Basis eines übersteigerten Nationalbewusstseins."
Das LP-Album mit der Live-Aufnahme des Konzerts | Bildquelle: Deutsche Grammophon Nicht nur die Zusammensetzung der Musiker war symbolträchtig, auch die Wahl des jüdisch-amerikanischen Star-Dirigenten Leonard Bernstein. Am Tag des Konzerts in Ostberlin konnte ihn Daniela Philippi zum Interview treffen. Leonard Bernstein war glücklich über seinen Auftrag: "Ich denke, das Timing ist wundervoll, weil es Weihnachten ist und weil man gemeinsam durch die Mauer gehen kann, das ist eine aufregende Erfahrung. Aber die Hauptsache ist Beethoven". Ein Konzert, dass den Mauerfall feiert, am 25. Dezember 1989 in Berlin. Dafür war es wahrscheinlich auch in Ordnung, dass die Musiker aus aller Welt sowie Daniela Philippi aus München auf den Heiligabend mit der Familie verzichtetet haben.
Samstag, 9. November 2019 um 20:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Mitschnitt des "Berlin Celebration Concerts" vom 25. Dezember 1989
mit Live-Reportage inklusive Interviews mit Leonard Bernstein und Justus Frantz