"Privatsache" ist das Motto des diesjährigen Festivals für neues Musiktheater in München. Die Biennale 2018 nimmt sich dabei einen Begriff vor, der im Zeitalter sozialer Medien bisweilen zur Worthülse verkommt und stets neu definiert zu werden scheint. Die "Privatsache" wird in 15 Uraufführungen vom 2. bis 12 Juni auf höchst unterschiedliche Arten beleuchtet.
Bildquelle: © Astrid Ackermann
Kaum ein Thema hat sich in den vergangenen Jahren im Zuge der rasenden Entwicklungen im Bereich der (mobilen) Technologie so in den Fokus einer vergleichsweise breit gestreuten Gesellschaft gestellt wie Definition und Wahrung der Privatsphäre. Es dürfte aber auch gleichzeitig das Thema sein, das von dieser breit gestreuten Gesellschaft mit ziemlicher Ambivalenz bis hin zur Gleichgültigkeit absorbiert wird. Wir kennen es doch alle selbst: AGBs der Sozialen Medien mit allen dazugehörigen Messenger-, Nachrichten- und/oder Fotodiensten – ja, irgendwie bekannt, irgendwie nicht gut, irgendwie wurscht. Hauptsache, es kann schnell wie gewohnt weiter gehen.
Für ein "Festival für Neues Musiktheater" – so der Untertitel der Münchener Biennale – ist es also nur gut und schön, sich die "Privatsache" als Motto auf die Fahnen zu schreiben. Nicht wegducken und mitschwimmen, sondern Finger in die Wunde, gesellschaftskritisch zum Nachdenken anregen, für die Gattung Musiktheater werben.
Clara Iannotta | Bildquelle: © Manu Theobald Unter den insgesamt 15 Uraufführungen, die zwischen dem 2. und 12. Juni anstehen, machen einige neugierig. "Bubble" etwa, eine Arbeit von Künstlern aus Hongkong, wo es um die Privatsphäre bekanntlich sehr überschaubar bestellt ist. Die frisch mit dem Siemens-Förderpreis ausgezeichnete Clara Iannotta geht es humorig an, wenn sie in ihrem Stück "Skull ark, upturned with no mast" zwei Garnelen in den Mittelpunkt stellt, die als Larven in einen Gieskannenschwamm gespült werden und so aufwachsen und leben, glücklich und mit allem versorgt, aber von der Außenwelt abgeschlossen. Sie kannten es ja nie anders …
Ondřej Adámek (zuletzt wurde im Dezember 2017 sein neues Violinkonzert bei der musica viva von Isabelle Faust aus der Taufe gehoben) wiederum greift selbst auf Privates zurück, wenn er sich in "Alles klappt" mit Archivmaterial des jüdischen Museums in Prag beschäftigt, einer Einrichtung, die von Adámeks Großvater mitgestaltet wurde.
Wie schon 2016, in der ersten Biennale unter der neuen Leitung von Manos Tsangaris und Daniel Ott, gibt es auch in diesem Jahr wieder Vieles im Grenzbereich zwischen (Musik-)Theater, Installation und Performance. Man kann zum Beispiel auf dem Starnberger See Stimmanalyse betreiben, direkt am Max-Joseph-Platz in eine Kiste steigen und mal schauen, wie das so geht mit der angekündigten "musikalisch-theatralischen Selbstbehauptung" oder sich in der Villa Stuck von der Maschine "Interdictor" in weltallähnliche Sphären entführen lassen. Außerdem wird – das lag natürlich nahe beim Motto des Festivals – in diverse Privaträume eingeladen.
Seltsam verquer in der Gegend steht "Die München "Ø"-Trilogie" mit der Norwegian Opra rund um den Tausendsassa Trond Reinholdtsen. Der ist schon vorab mit einem Tourbus unterwegs durch Europa und sendet jeden Tag filmische Updates nach München, bevor es am 9. Juni im Einstein zum großen Finale kommt, "featuring Der Heilige Geist" – da kann man nur sagen: get dressed!
Die Münchener Biennale 2018 findet vom 2. bis 12. Juni statt.
Informationen zu Programm und Vorverkauf gibt es auf der Homepage des Festivals.