Etwas holprig ging es für Valery Gergiev bei den Münchner Philharmonikern los: Erst waren Vorwürfe zu hören, der vielbeschäftigte Dirigent hätte nicht genügend Zeit für die Münchner. Dann stand Gergiev als Putin-Unterstützer in der Kritik. Doch wie steht es heute um die Beziehung zwischen dem Orchester und seinem Chef? Eindrücke vom Gastspiel des Orchesters in New York.
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Valery Gergiev ist ein begehrter Mann. Geduldig lässt er sich nach der Probe in der Carnegie Hall backstage von Termin zu Termin führen, schüttelt Hände, nimmt Willkommenswünsche und Komplimente entgegen. Nach außen wirkt er etwas kauzig, ernst und verschlossen. Doch der Umgang mit seinen Musikern ist erstaunlich locker, humorvoll. In den Anspielproben werden Witze erzählt, immer wieder wird gelacht.
Diese Gelassenheit von Gergiev wissen die Musiker sehr zu schätzen, sie unterstreiche seine natürliche Autorität - er müsse sich nicht über Strenge durchsetzen, so die Meinung im Orchester. Dennoch sind die Proben ein großes Thema: Viel Zeit verbringt Gergiev damit nicht. Das war für das Orchester nicht immer einfach, sodass der Vorstand schließlich mehr Probenzeit aushandeln musste.
In einer Probe wird mehr gesagt als sonst manchmal in zehn Proben.
Mehr Proben - das ist schwierig bei Gergievs vollem Terminplan. Sein Pensum ist enorm. Bewältigen kann er es nur durch höchst effektives Arbeiten. "In einer Probe wird mehr gesagt als manchmal in zehn Proben", erklärt Orchestervorstand Matthias Ambrosius die Strategie.
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An solch eine rasante Herangehensweise mussten sich die Orchestermusiker erst einmal gewöhnen, ebenso an Gergievs Art zu dirigieren. "Sein Dirigat muss man wirklich lesen lernen, das ist nicht wie ein Maazel, der exakt schlägt, was er will, sondern das braucht ein bisschen Gewöhnungszeit", sagen die Orchestervorstände Stephan Haack und Matthias Ambrosius. Doch die inzwischen mehrjährige Zusammenarbeit - seit 2015/16 ist Gergiev Chef in München, bereits zuvor war er regelmäßig zu Gast - hat das Orchester und ihren Chefdirigenten zusammengeschweißt. Den Unterschied merken die Musiker immer wieder. Zum Beispiel wenn Aushilfen da sind, die kurzfristig im Orchester einspringen: "Ich glaube, die sterben tausend Tode. Weil dieses Wissen darüber, wie Gergievs Dirigat funktioniert - das ist wirklich eine neue Evolutionsstufe."
Doch nach den anfänglichen Schwierigkeiten tut sich was: Ein Klarinettist, der krankheitsbedingt mehrere Monate ausgefallen war, kam letztens wieder ins Orchester zurück und stellte fest: Der Klang ist anders, dunkler. Stephan Haack hat bereits unter Sergiu Celibidache Cello gespielt und sieht Parallelen: "Diese Arbeit am Klang, das zeichnet Gergiev wirklich aus - ich hab' das seit damals nicht mehr erlebt."
Valery Gergiev ist nicht der Typ, der offen über Beziehungen spricht. Aber man spürt: Er schätzt sein Orchester - und dessen Tradition: "Die Münchner Philharmoniker sind meine Verantwortung, aber ich stehe nicht für ihre Tradition - und ich kann ihnen diese auch nicht wegnehmen. Aber welche Tradition eigentlich? Die von Celibidache, Levine, Thielemann, Maazel - oder gar die von Gustav Mahler, der seine eigenen Werke mit ihnen uraufführte? Es geht um eine Bündelung: Tradition plus Klang. Und wir arbeiten viel am Klang."
Thema in der Sendung "Allegro" am 7. April 2017, 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK