Eitelkeit und Selbstdarstellung waren Murray Perahia stets fremd. Der amerikanische Pianist ist auf sympathische Weise altmodisch - und fühlt sich ausschließlich der Musik verpflichtet. Am 19. April feierte er seinen 70. Geburtstag.
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"Zauber" ist ein Wort, das oft fällt im Zusammenhang mit Murray Perahias Klavierspiel. Weil es auf natürliche Weise magisch ist, weil es einen sofort packt, weil es mitnimmt, entführt, fast wehrlos macht. Das Ohr, das Hirn, das Herz. Bei Bach gelingt ihm das, bei Schubert, und auch bei Mozart; für den in New York geborenen Perahia immer noch der wichtigste aller Komponisten: "Mozart kann man überhaupt nicht überschätzen, für mich ist er der wichtigste Komponist", sagt Perahia. "Mozarts Musik kann auf so vielen Ebenen wirken. Sie ist sehr charmant für das Ohr, was der erste und direkteste Weg ist, Musik zu hören. Aber auch das Herz und das Hirn können Mozart auf vielen Ebenen verstehen."
Die Dinge, die für mich am wichtigsten sind, sind die Melodielinie, die Phrasierung und die Struktur, die die Melodie verdeutlicht.
"Logik" ist auch ein Wort, in diesem Fall ein philosophisches, das Perahias Klavierspiel beschreibt. Er liest die Partituren wie Architektur, analysiert schichtenweise Harmonik, Melodik und Rhythmik und trennt mit untrüglichem Sinn das Wichtige vom weniger Wichtigen. Steht dann über den Dingen und kann ihnen dezent, fast unauffällig und vornehm Sinn verleihen. Kein pedantisches Beharren, kein ästhetisches Ideologisieren, bei Perahia erschließen sich die Stücke wie von selbst.
Murray Perahia | Bildquelle: picture-alliance/dpa Vladimir Horowitz ist in Perahias Studienzeit in Amerika ein wichtiger Mentor, Rudolf Serkin ein anderer. Für ihn selbst wird der Klavierwettbewerb im englischen Leeds, den er 1972 als erster Nord-Amerikaner gewinnt, der Durchbruch. Seitdem ist Murray Perahia eine feste Größe in der Klavierwelt, auch wenn ihn eine Verletzung am Daumen, die er vor Jahren erlitt, noch heute immer wieder zu Pausen zwingt. "Damals war das verheerend", sagt Perahia - im Nachhinein habe sich der Unfall aber auch als Vorteil erwiesen. Er habe in den Zwangspausen viel nachgedacht und studiert. Dennoch: Musik wird für Murray Perahia erst wirklich lebendig, wenn er sie öffentlich spielt: "Stücke vor Publikum zu spielen, lehrt mich selbst eine Menge über die Musik. Natürlich spiele ich auch viel zu Hause, und arbeite eine Menge für mich selbst. Aber erst, wenn ich die Werke für ein Publikum spiele und so mit ihm in Kommunikation trete, fängt die Musik wirklich zu leben an."
Bach ist neben Mozart einer der Fixpunkte in Perahias Karriere, gerade hat er die Französischen Suiten eingespielt. Historisch interessiert ist Perahia schon, auf alten Instrumenten zu spielen kam aber für ihn nie in Frage: "Ich bin nicht daran interessiert, alte Klangwelten wiederherzustellen", sagt der Pianist. "Ich bin an den Ideen des Komponisten interessiert, und das mit unserem modernen Verständnis."
Man könnte viele Lobeshymnen singen auf den Künstler Murray Perahia, den bescheidenen, wenig medienkonformen Anti-Star. Und auf sein Spiel: zeitlos und atemberaubend modern, unmaniriert und unprätentiös. Was ihn vielleicht am meisten ehrt: Er vertraut auch im 21. Jahrhundert noch darauf, dass die Sache an sich so gut ist, dass sie ihn und sein Publikum ohne oberflächliches Show-Gebaren in ihren Bann zieht.
Sendungsthema aus "Allegro" am 19. April 2017, 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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