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Noten-Apps & Co Müssen Musikverlage auf digital umsteigen?

Ob E-Books, Einkäufe im Online-Shop oder WhatsApp-Nachrichten: Immer mehr läuft heute digital. Da ist es unvermeidlich, dass sich auch Musikverlage dem Trend anschließen. Denn der Verkauf gedruckter Noten ist gerade im Bereich der Klassik in den letzten Jahren zurückgegangen. ​

Screenshots der Henle-Urtext-App | Bildquelle: Henle-Verlag

Bildquelle: Henle-Verlag

Ist Papier out? Sieht ganz so aus. Jedenfalls werden im Bereich der klassischen Musik heute weniger gedruckte Noten verkauft als noch vor ein paar Jahren. Die Gründe dafür liegen sicherlich auch im demografischen Wandel, weil die nachkommenden Generationen seltener auf Gedrucktes zurückgreifen. Aber nicht nur. Müssen Verlage auf digitale Angebote umsteigen, um langfristig überleben zu können?

Noten auf dem Tablet - etwas für die Handtasche

Arabella Steinbacher | Bildquelle: © Peter Rigaud Die Geigerin Arabella Steinbacher ist eigentlich Fan von gedruckten Noten. | Bildquelle: © Peter Rigaud Es ist schon praktisch, so ein Tablet, auf dem man alle Noten griffbereit hat. Mit ein paar Klicks kann ein Musiker zwischen verschiedenen Werken hin und her wechseln - ohne den entsprechenden Notenband aus dem Regal ziehen zu müssen. "Ein ganz großer Vorteil ist natürlich, dass man all die Noten, die man gerne mitnehmen möchte, nicht schleppen muss", sagt Arabella Steinbacher. Eigentlich ist die Geigerin ein Fan von gedruckten Noten. Nur, praktikabel sind sie halt nicht immer - im Gegensatz zum iPad oder Tablet: "Wenn man viel in Hotels unterwegs ist, kann man sich die Noten, die man gerade braucht, einfach runterladen", so Steinbacher.


Ein Musikverlag, der viele seiner Noten mittlerweile digital in einer App anbietet, ist der Henle Verlag. Hier kann man Noten digital kaufen und auch auf dem Tablet bearbeiten. Dafür gibt es verschiedenen Zusatzfunktionen: "Wenn ich auf das Bleistiftsymbol klicke, dann kann ich in allen Farben beispielsweise Bindung eintragen, Akzentzeichen oder Auf- und Abstrich, meine ganz individuelle Einrichtung eben", erklärt Wolf-Dieter Seiffert, Geschäftsführer des Verlags. "Sobald ich dann auf 'done' klicke, ist das in meiner Stimme drin."

Nachfrage bislang eher gering

Vor allem jüngere Musiker und Studenten nutzen die Noten-App. Die meisten User leben in den USA, gefolgt von China und Deutschland. Verglichen mit dem Papiergeschäft sind die Umsätze allerdings noch recht überschaubar, sagt Wolf-Dieter Seiffert. Aber die Tendenz sei eindeutig steigend: "Wir haben letzten Monat die sechsstellige Dollarzahl überschritten. Wir haben über 100.000 Dollar umgesetzt mit der App, so dass ich mir vorstellen könnte, dass wir in fünf Jahren eine Umsatzgrößenordnung von fünf bis zehn Prozent am Gesamtumsatz des Papiergeschäfts in der App abwickeln. Das ist doch ein ziemlicher Erfolg."

Derzeit laufen die meisten Apps nur auf Tablets. So richtig etabliert habe sich der Markt bislang noch nicht, sagt Birgit Böcher, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Musikverlegerverbands. Und das liege auch an den Abspielgeräten: "Es gibt momentan zwei, drei, vier Geräte, die recht vielversprechend sind. Aber wenn man an eine Orchesterstärke von 80 bis 100 Mann denkt, dann ist das halt noch nicht in greifbarer Nähe", sagt Böcher.

Problem: Illegale Kopien und Downloadangebote

Ein anderes Problem sei, dass nach wie vor viele Noten illegal kopiert oder mit dem Smartphone abfotografiert würden, so Böcher. Das gefährde langfristig die Musikverlage, deren eigentliche Aufgabe es sei, neue Autoren zu entdecken und junge Komponisten zu fördern. Viele Noten würden auch, im Gegensatz zu den Apps der Musikverlage, kostenlos im Internet angeboten.

Man sollte lieber Angebote und Alternativen entwickeln, die für eine gewisse Qualität stehen.
Birgit Böcher, stellv. Geschäftsührerin des Deutschen Musikverlegerverbands

"Das Problem ist, dass sehr viele Betreiber dieser Seiten nicht in Deutschland sitzen. Das heißt, es ist schwer, dagegen vorzugehen. Es ist eigentlich ein Kampf gegen Windmühlen", sagt Böcher und schlägt einen anderen Weg vor: "Man sollte lieber seine ganze Energie da reinstecken, Angebote und Alternativen zu entwickeln, die für eine gewisse Qualität stehen." Natürlich könne man im Internet alles finden und herunterladen, aber die Qualität sei eben doch eine andere.

Attraktivität durch Zusatzangebote

Gerade Noten klassischer Werke sind häufig nicht mehr geschützt, da die Komponisten bereits mehr als 70 Jahre tot sind. Das macht es für Musikverlage, die überwiegend klassische Noten drucken, nicht gerade einfacher. Potenzielle Käufer gilt es also durch Qualität zu überzeugen! Attraktive Zusatzangebote in Apps können beispielsweise Tutorials zum Klavierlernen sein. Das bietet etwa der Peters Verlag an. Oder auch praktische Verknüpfungen zwischen Solostimme und Partitur per Mausklick wie in der Henle App. Oder auch die Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Fingersätzen. Hier kann sich der User bei der Mozart-Sonate in C-Dur KV 279 beispielsweise mehrere verschiedene Fingersätze anzeigen lassen: unter anderem die von Béla Bartók oder William Youn. Alternativ kann er die Noten auch ganz ohne derartige Eintragungen wählen.

Existenz der Notenverlage gefährdet?

Der Aufgabenbereich vieler Musikverlage hat sich allerdings auch verändert. "Das traditionelle Papiergeschäft macht mittlerweile fast nur noch zehn Prozent des Gesamtumsatzes aus", sagt Birgit Böcher. "Der meiste Umsatz der Musikverlage wird tatsächlich mit Umsätzen aus Lizenzen erstritten: mit Ausschüttungen von Verwertungsgesellschaften." Demnach ist der Rückgang des Papiergeschäfts noch nicht existenzbedrohend. Trotzdem weiten immer mehr Verlage ihr Angebot im digitalen Bereich aus.

Die Hauptaufgabe der Verlage ist es nicht, im Netz unterwegs zu sein, sondern Autoren zu fördern und Werke zu verwerten.
Birgit Böcher, stellv. Geschäftsührerin des Deutschen Musikverlegerverbands

Birgit Böcher ist fest davon überzeugt, dass auch in 20 oder 30 Jahren noch gedruckte Noten gekauft werden. Das Geschäft mit den digitalen Apps gehöre heute zwar dazu, aber es sei wichtig, dass sich die Verlage trotzdem auf ihre eigentliche Hauptaufgabe konzentrieren könnten: junge Komponisten zu fördern und neue Autoren zu entdecken. "Die Hauptaufgabe der Verlage ist es nicht, im Netz unterwegs zu sein, sondern tatsächlich Autoren zu fördern und die Werke zu verwerten", so Böcher.

Auf dem Weg zum gläsernen Musiker

So praktisch die Nutzung digitaler Angebote auch ist, einer Sache muss man sich als Nutzer natürlich bewusst sein: Wie bei Facebook und Co. hinterlässt man auch hier Spuren im Netz und macht sich in gewisser Weise gläsern.

Sendung: "Allegro" am 17. Januar 2018 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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