Stetig nimmt die Digitalisierung zu und wird zur Selbstverständlichkeit in unserem Alltag. Bei Musikern sind Notenstapel mit Bleistift bald rar gesät, dafür wird am Bildschirm komponiert und mit Synthesizern gearbeitet. Bald überprüft auch noch eine App die Fitness des Pianisten.
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ARD Themenwoche - "Zukunft der Arbeit"
Wie die Digitalisierung die Arbeit der Musiker verändert
Vladimir Viro ist Entwickler für digitale Anwendungen - für Apps, die über das Üben am Instrument Feedback geben sollen. Er hat mit dem E-Piano begonnen, später soll die App um alle anderen Instrumentengruppen erweitert werden.
Wir entwickeln sowas wie einen Fitness-Tracker für ein Klavier. Hat man jetzt besser gespielt als zuvor oder schlechter? Wie entwickelt sich das?
Viro ist Informatiker und vermarktet mit einer kleinen Firma erfolgreich Musikprogramme. Gerade arbeitet er an einem "Fitness-Tracker" für Pianisten. Das Programm analysiert das pianistische Fahrverhalten und der Musiker erhält Erfolgsmeldungen und Verbesserungsvorschläge. "Man spielt alles Mögliche rein," beschreibt Virov: "So wie ein Läufer oder ein Fahrradfahrer, der irgendwo herum fährt. Dann bekommt man eine Auswertung wie man gespielt hat, wie man gelaufen ist, wo man überall war. Wo steht man im Vergleich zu anderen? Hat man jetzt besser gespielt als zuvor oder schlechter, wie entwickelt sich das?" Ein Feedback über die eigene "Leistung" am Instrument also.
Die passenden Noten liefern die Verlage - zunehmend in digitaler Ausführung. Von überall auf der Welt haben Musiker Zugriff und können ihre Notensammlung durch ein nur 800g schweres iPad ersetzen.
Sie nehmen einen Bleistift und schreiben in Ihre Noten, das ist eine so intuitive und normale Standartsituation beim Üben.
Max Reger 1906 am Schreibtisch der Villa Pinggera | Bildquelle: Max-Reger-Institut Trotzdem sind gedruckte Noten noch längst nicht überflüssig, der stellvertretender Verlagsleiter des Henle-Verlags, Dr. Norbert Gertsch kann sich eine Arbeit ohne Bleistift in der Hand kaum vorstellen: "Sie nehmen einen Bleistift und schreiben in Ihre Noten rein, das ist eine so intuitive und normale Standartsituation beim Üben. Wenn Sie das aufs Digitale übertragen, geht das nicht so einfach, das ist nicht banal! Sie müssen es im Digitalen schon sehr gut und intuitiv machen. Es sich abschauen, wie das mit dem Papier funktioniert. Wenn Sie das übertragen aufs Digitale, dann haben Sie eine Chance, dass die Musiker das auch annehmen, weil es ihre Arbeitsumgebung wenig verändert."
In Musikrichtungen wie Rock und Pop hat die Digitalisierung schon lange Einzug gehalten. Aber auch in der Kunstmusik werden elektronisch erzeugte und verstärkte Klänge immer selbstverständlicher, sagt Detlef Heusinger vom Experimentalstudio des SWR:
All das, was früher gebaut wurde, gibt es heute im Rechner verfügbar und jeder kann sich sein kleines Heimstudio bauen.
"Für Komponisten ist das ein Prozess, der eigentlich schon weit vorangeschritten ist. Was wir früher an Hardware-Geräten hatten: Geräte, die man als Transpositionsgeräte bezeichnet, Filter und so weiter. All das, was früher gebaut wurde, gibt es heute im Rechner verfügbar und jeder kann sich sein kleines Heimstudio mit einem Computer und wenig Hardware bauen, um die Grundzüge der elektronischen Musik auch zu Hause nachvollziehen zu können."
Bildquelle: picture-alliance/dpa Musiker braucht man nach wie vor, nicht zuletzt, um die Elektronik zu bedienen. Der Mensch muss sich als Individuum verstehen, wenn er Musik machen und gestalten will. "Das ist überhaupt nicht durch Maschinen ersetzbar, das ist sogar ein Kampf gegen Maschinenwelten, wenn ich mich als Musiker, als Instrumentalist alleine auf einer Bühne befinde und meinen Gestaltungsfreiraum tatsächlich behaupten muss," meint Detlef Heusinger. Für ihn wird es immer einen ausreichend großen Spielraum für Kreativität und Individualität geben, das lasse sich durch digitale Welten nicht begrenzen.
Die wenigsten Musiker wissen, sich der vorgefertigten Form zu erwehren und versuchen ihre eigenen Programme dagegenzusetzen.
Die großen Anbieter im Instrumentenbau machen es den Musikern oft einfach. In den Synthesizer-Modellen gibt es sogenannte "Presets", vorgefertigte, konfektionierte Klangfarben, die der Interpret nur noch auswählen muss. "Nur die wenigsten intelligenten Musiker wissen sich dieser vorgefertigten Form zu erwehren und versuchen ihre eigenen Programme dagegen zu setzen. Da ist noch viel zu tun. Diese Standardisierung, die wir mittlerweile weltweit haben, steht in der Pop-Musik noch viel mehr im Vordergrund und stellt natürlich auch eine Form von Verarmung dar."