Er sorgte 70 Jahre lang für unumstößlichen Swing und Schlagzeuger Jimmy Cobb saß bei der wohl berühmtesten Aufnahme-Session des Jazz an den Trommeln. Am 24. Mai ist er im Alter von 91 Jahren gestorben.
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Wenn der Wind am Strand Sandkörnchen über flache Felsen kullern lässt, entsteht ein ganz sanftes Reiben, eher ein Streicheln. So klang es, wenn Jimmy Cobb mit seinen Schlagzeugbesen über das Fell der Trommel glitt. Ganz sanft, nicht laut, aber mit zarter Rauheit kompromisslos swingend. Griff er dann zu den Sticks und setzte einen Schlag aufs Becken, öffnete sich ein neuer Horizont. Eine Tür ging auf. Jimmy Cobb hatte dieses nicht wirklich beschreibbare Gefühl für Swing, diese Akzentuierung, die ein Grundmerkmal des Jazz ist.
Besonders eindrücklich kann man das bei jener legendären Aufnahme des Stücks "All Blues" mit dem Miles Davis Sextett hören. Beim Übergang des wiegenden Sechsachtel-Themas zum Trompetensolo wechselt Jimmy Cobb auf Sticks und ein Sog entsteht, der den Solisten schwerelos mitzieht. Jimmy Cobb war ein Meister dieses scheinbar unangestrengten Swingens.
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Miles Davis - All Blues (Audio)
Am 20. Januar 1929 kam Wilbur James Cobb in Washington D.C. zur Welt. Als Jugendlicher lernte er autodidaktisch Schlagzeug zu spielen und erweiterte seine instrumentalen Fähigkeiten ab 1946 an der Armstrong High School in Boston. 1951 wurde er als Schlagzeuger für eine US-Tournee von Saxophonist Earl Bostic engagiert, vorher hatte Cobb aber schon Erfahrungen sammeln können, als er Saxophonisten Charlie Rouse und sogar Sängerin Billie Holiday begleitet. In der Folgezeit spielte er mit unterschiedlichen Bands und begleitet die Sängerin Dinah Washington, mit der er auch kurz verheiratet war.
Cobb kam 1957 in die Band von Altsaxophonist Cannonball Adderley, und der empfahl ihn ein Jahr später Miles Davis für dessen Band. Der Trompeter rief den Schlagzeuger am frühen Abend an und buchten ihn für den Auftritt am selben Tag. Cobb eilte von New York nach Boston und war in der Band.
Mit diesem Ensemble sollte Jimmy Cobb dann Jazzgeschichte schreiben. Am 2. März und am 22. April 1959 entstanden die Aufnahmen zum Album "Kind of Blue", dem kommerziell erfolgreichsten Jazzalbum der Geschichte. Trompeter Miles Davis, Altsaxophonist Cannonball Adderley, Tenorsaxophonist John Coltrane, die Pianisten Bill Evans und Wynton Kelly, Bassist Paul Chambers und Schlagzeuger Jimmy Cobb waren in dieser Band und Jimmy Cobb hatte all seine Kollegen um Jahre überlebt.
Zu diesem Album gibt es etliche Anekdoten, auch der Münchner Bassist Martin Zenker kennt einige Geschichten, die ihm Jimmy Cobb persönlich erzählt hat. Etwa, wie die Band zusammen die Aufnahmen im Studio abhörte und Miles Davis zu Jimmy Cobb sagte: "Mann, ich wünschte, ich würde so swingen wie du", Cobb entgegnete: "Ja… Ich wünsche, das könntest du".
Ein Meister des Swing: Schlagzeuger Jimmy Cobb. | Bildquelle: picture-alliance/dpa In den 60ern nach seiner Zeit bei Miles Davis spielt Jimmy Cobb im Trio mit den Kollegen aus Davis‘ Band, Paul Chambers und Wynton Kelly. Zusammen mit Gitarrist Wes Montgomery entstand das großartige Live-Album "Smokin' at the half note". In den 70er Jahren begleitete Jimmy Cobb die Sängerin Sarah Vaughan.
Als absoluten Teamplayer beschreibt Zenker die Schlagzeuglegende. Im Jahr 2000 trafen sie sich zum ersten Mal und sie spielten gemeinsam in der Band des russischen Trompeters Valery Ponomarev. Zenker war voll Respekt, vielleicht sogar ein bisschen nervös. Als er später mit Jimmy Cobb über diese Nervosität sprach, antwortete der Schlagzeuger: "Was, du bist nervös, weil du mit mir spielst? Warum? Nichts kann schiefgehen! Du solltest nervös sein, wenn du mit einem Typen spielst, der nicht swingt!"
Jimmy Cobb, in den letzten Jahren immer mit Baseball-Kappe, Zahnstocher zwischen den Zähnen und breiten Hosenträgern, war sich seiner Qualitäten durchaus bewusst, aber er war als Mensch und Musiker immer bescheiden und kollegial. Ihm ging es nie darum, wer besser spielt, Jimmy Cobb wollte immer die Musik im Moment zum Klingen und zum Swingen bringen.
Er war auch als Bandleader und Komponist aktiv und holte immer wieder herausragende junge Jazzer in seine Bands. In "Jimmy Cobb's Mob" spielte etwa Pianist Brad Mehldau oder Gitarrist Peter Bernstein. Mit Trompeter Roy Hargrove nahm er auf und er spielt auch immer wieder mit unterschiedlichen europäischen Musikern.
Wenn er sein großes Becken spielte, blickte er es direkt an und fokussierte es über den Schlagzeugstick hin und es schien, als wäre er in ein Gespräch mit dem Becken vertieft. Mehr als 70 Jahre lang war Jimmy Cobb die Rhythmuskernzelle unzähliger Bands.
Im Januar 2020 bat Cobbs Tochter über Soziale Netzwerke um Spenden für den großen Jazzer, er habe kein Geld mehr für Medikamente. Nun ist dieser feinfühlige Teamworker im Alter von 91 Jahren nach Angaben seiner Frau an Lungenkrebs gestorben.