Dirigent Kent Nagano und Concerto Köln starten ein außergewöhnliches Projekt: Gemeinsam wollen sie sich dem "Ring des Nibelungen" aus der Perspektive der Originalklang-Bewegung nähern. Mit dem Ziel, ein historisch informiertes Aufführungskonzept zu entwickeln - das den Blick auf die Oper des 19. Jahnhunderts bereichern soll.
Bildquelle: Felix Broede
Die Auseinandersetzung mit musiktheatralen Werken des 19. Jahrhunderts soll durch das geplante Projekt neue Impulse bekommen. Mit dabei sind auch die Kunststiftung NRW sowie Wissenschaftler von Universität und Musikhochschule Köln. Instrumental- und Gesangsstile aus Wagners Zeit werden dabei umfassend untersucht, genauso wie die damalige Bühnenpraxis.
Der historischen Aufführungspraxis sei es zu verdanken, dass es heute ein anderes Verständnis von zahlreichen Komponisten und ihren Werken gebe als noch vor 30 oder 40 Jahren, so Kent Nagano. Das Wissen über Instrumentarium und Spielweisen biete zudem die Möglichkeit, mit anderen Interpretationsansätzen an die Musik heranzugehen. Der "Ring des Nibelungen" sei zwar eine der am meisten erforschten Kompositionen. Eine systematische Annäherung aus historisch informiertem Blickwinkel jedoch fehle, so Nagano.
Umso wichtiger ist es, dass man eine solche Aufgabe angeht und nun auch im romantischen Repertoire Hörgewohnheiten in Frage stellt, die bisher unumstößlich schienen.
Am Ende der gemeinsamen Arbeit soll ein aufführungspraktischer Ratgeber für Musik und Opern des 19. Jahrhunderts stehen. Erste Ergebnisse wollen Dirigent Nagano und Concerto Köln in der Spielzeit 2020/21 aufführen.
Die Arbeiten an dem Mammutprojekt laufen seit Mai 2017. Offizieller Startschuss ist im kommenden September.
Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Projekts.
Kommentare (3)
Donnerstag, 29.Juni, 13:55 Uhr
Klaus Michael Zeuner
"Ring" im Originalklang?
Was versteht Herr Nagano hier unter "Originalklang"? Die Instrumente haben sich ja kaum verändert, und eine Akustik wie im Bayreuther Festspielhaus wird sich auch nicht ohne weiteres anderswo erzeugen lassen. Schön wäre es, wenn dann auch eine szenische Aufführung, wie (natürlich nur näherungsweise) zu Wagners Zeiten folgen würde - darauf warten sicher viele Musikfreunde nach all den verrückten Inszenierungen der letzten Jahre, die häufig Wagners Vorstellungen völlig ignorieren.
Dienstag, 27.Juni, 21:05 Uhr
Sönke Remmert
Es ist an der Zeit
ConCerto Köln und andere Ensembles der Historischen Aufführungspraxis haben unsere Hörgewohnheiten verändert. Sie haben uns Bach, Mozart und Beethoven neu hören gelehrt, wenig bekannte Werke Händels und Haydns entdecken gelehrt - genauso wie die Kompositionen weniger bekannter Komponisten wie Joseph Martin Kraus oder Anton Eberl.
Bereits 1997 erschien die epochemachende Gesamteinspielung der Sinfonien von Johannes Brahms unter der Leitung von Charles Mackerras mit dem Scottish Chamber Orchestra. John Eliot Gardiner legte inzwischen das "Deutsche Requiem" und die Brahms-Sinfonien vor - ebenso Verdis Requiem. So ist es eigentlich eine Frage der Zeit, bis endlich Richard Wagner von den Vertretern der Historischen Aufführungspraxis entdeckt wird. Ich bin sehr gespannt auf diesen "Ring" im Geiste der Historischen Aufführungspraxis!
Dienstag, 27.Juni, 18:06 Uhr
Dr. Gerhard Heldt
"Ring" in "historisch informierter Spielweise"
Glücklicherweise wissen wir so gut wie alles zum "Ring" aus Wagners eigener Hand: Das Werk ist dezidiert für das Festspielhaus in Bayreuth und seine spezielle Akustik geschrieben. Eine getreue Wiederherstellung des historischen "Ring"-Klangs erfordert also zwingend, die Produktion an der originalen Spielstätte stattfinden zu lassen - mit allen zur Wagner-Zeit bekannten Instrumenten, zu denen auch die Ophikleide gehört. Also: Auf zum unbeheizbaren Grünen Hügel im Winter!!