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Kontroverser Klassiktrend Über das Phänomen der Neoklassik

Banal oder zeitgemäß – bei der Musik von Ludovico Einaudi oder Nils Frahm gehen die Meinungen auseinander. Doch was hat es mit dem Trend der Neoklassik und Internet-Playlists wie "Relaxing Piano" oder "Klassik zum Lernen" auf sich? Können die vielleicht sogar letztlich für das Überleben der Klassik sorgen?

Nils Frahm beim Spielen | Bildquelle: Alexander Schneider

Bildquelle: Alexander Schneider

Pur und intim ist diese Musik – oder meditativ. Und in manchen Songs, wie etwa Nils Frahms "Nils has a new piano" sind sogar Nebengeräusche zu hören, wie der Anschlag der Klavierhämmer. Der Sound muss nicht perfekt sein, vielmehr sollen die Hörer*innen ganz nah heranrücken ans Klavier. Neoklassik – so wird dieser Sound genannt. Oder New Classics. In dieser Schublade tummeln sich große Namen wie Ludovico Einaudi, Max Richter, Hania Rani oder eben Nils Frahm. Ihre Musikvideos sind oft in schwarz-weiß. Zum Klavier mischen sich mal Elektronik oder Streicher. Reizvoll ist das nicht für jeden. Kritiker bezeichnen die Neoklassik oft als kitschige Klangtapete. Und genau diesen Kitsch wollen die Musiker*innen nun auch noch auf die klassischen Konzertbühnen bringen.

Ist die Neoklassik ein Weg aus der Sackgasse?

Nils Frahm | Bildquelle: landscape Leiter Verlag Der Pianist und Komponist Nils Frahm. | Bildquelle: landscape Leiter Verlag Doch Jörg Holzmann, Musikwissenschaftler an der Hochschule der Künste in Bern, sieht den Erfolg der Neoklassik gar nicht so negativ. "Was ich mir als Grund vorstellen könnte, ist, dass die zeitgenössische klassische Musik häufig ein bisschen als in eine Sackgasse geraten beschrieben wird", erklärt er. Die Hörer*innen würden sich da vielleicht einfach nach "fassbareren Kompositionen" sehnen, die aber "trotzdem einen gewissen klassischen Anspruch haben".

Es gibt so eine leichte einziehende Banalität im Kulturbereich.
Nils Frahm

Eine alternative klassische Musik fürs 21. Jahrhundert also. Für die Generation Internet. Immerhin verbreitet sich diese musikalische Idee seit einigen Jahren rasant auf diversen Playlists. New Classics-Titel finden sich unter "Relaxing Piano" oder "Klassik zum Lernen". Ihre Länge von 3 bis 7 Minuten lässt sie eben gut in den Alltag integrieren – viel besser als ein 45-minütiges Klavierkonzert. Für Pianist Nils Frahm ist es völlig in Ordnung, dass Hörer*innen seine Musik zum Entspannen oder Lernen einschalten. Allerdings geht für den Pianisten in Zeiten von Streamingdiensten etwas Wichtiges verloren: "Es gibt so eine leichte einziehende Banalität im Kulturbereich." Künstler*innen seien oft mehr auf finanziellen Erfolg aus, kritisiert Frahm weiter.

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Nils Frahm - Says (Official Music Video) | Bildquelle: Erased Tapes (via YouTube)

Nils Frahm - Says (Official Music Video)

Diese Musiker*innen machen klassische Instrumente wieder aktuell – auch für die Hausmusik

Neoklassik ist musikalische Massenware und trotzdem: Die Musiker*innen machen klassische Instrumente wieder aktuell. Sie füllen die Philharmonien, laden junges Publikum ein und bringen die Menschen auch Zuhause zum Musikmachen. Das beobachtet auch Jörg Holzmann: "Ein großer Reiz dieser Musik besteht auch darin, dass man es relativ gut auch Zuhause nachspielen kann, da der technische Anspruch häufig nicht wahnsinnig hoch ist." Ein musikalischer Trend also, der sich richtig unter die Leute mischt. Und darüber könnte sich die Klassikszene doch eigentlich freuen.

Sendung: "Allegro" am 5. April ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Mittwoch, 06.April, 23:28 Uhr

Klavierlehrer

Eigenes Genre

Klar ist solche Musik ein Existenzretter für Klavierlehrer. Die Stücke lassen sich gut auch auf einem Digitalpiano üben, ohne viel Notenkenntnisse und ohne viel technisches Können.

Auch ist solche Musik gut für die interaktive Musikvermittlung, wenn man schon mit "mit Kochtöpfen musizieren" und "Alltagsgeräusche auf Ipad sammeln und mit einer App zu einem Musikstück verarbeiten" durch ist.

Also, nichts gegen die Musik. Viele Menschen finden die Musik schön.

Aber dadurch kommen die Leute nicht zur Klassik. Denn das ist ein eigenes Genre und nicht irgendein niederschwelliger Einstieg zur klassischen Musik und auch nicht irgendein niederschwelliger Einstieg zur Neuen Musik (zeitgenössischen Klassik).

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