Nürnberg geht ins Rennen um den Titel "Kulturhauptstadt Europas 2025" mit der gesamten Metropolregion im Rücken, die sich über große Teile Nordbayerns spannt – und große Musikstätten wie Bamberg und Bayreuth einbezieht. Was das für die vielfältige Musiklandschaft bedeuten könnte, darüber diskutierten nun Vertreter der fränkischen Szene.
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"So ein Bewerbungsprozess richtet einen Scheinwerfer auf all die Dinge, die hier passieren", erklärte Nürnbergs Generalmusikdirektorin Joana Mallwitz bei einer Diskussionsrunde im Staatstheater mit Kultur-Vertretern aus der Metropolregion. Gleichzeitig könne man sich trauen, Neues zu wagen und Querverbindungen zu finden, die sich sonst nicht ergeben würden. Das Opernhaus dürfte 2025 allerdings mitten in der dringend notwendigen Sanierung stecken, das Orchester und Opernensemble deswegen auf Reisen sein.
Ich wünsche mir das Staatstheater Nürnberg als 'coolen Ort', der offen ist für alle Menschen.
Die Freude auf den möglichen Titel ist aber nicht nur in Nürnberg groß. "Ich spüre seit Jahren, dass die Menschen auf dem Land geradezu hungrig sind nach Kultur", so Julian Tölle, der Intendant des Festivals "Fränkischer Sommer". Der Geschäftsführer des neuen Musikfestivals Bayreuth Baroque im Markgräflichen Opernhaus sieht den laufenden Bewerbungsprozess und auch das Jahr 2025 als Chance, sich gegenseitig in der Region zu sehen und zu vernetzen. "Der, der in Kronach wohnt, weiß wenig über Windischeschenbach. Das ist für die 3,5 Millionen Menschen hier in der Region ja schon einmal ein tolles Erlebnis."
Selcuk Cara inszenierte Wagners "Meistersinger" auf dem Reichsparteitagsgelände. Schon vor der Premiere gab es heftige Kritik. | Bildquelle: Heiko Stahl Die Metropolregion atmet mit Nürnberg, Bayreuth und Bamberg sicher mehr Musikgeschichte als andere Bewerber – und will sich dieser stellen. Auch der Nähe von Richard Wagner zu Hitler. Zur Diskussionsrunde zugeschaltet ist der frühere Wagner-Bass Selcuk Cara, der mit seiner Version von Wagners "Meistersingern" zuletzt für Schlagzeilen und heftige Diskussionen sorgte. Er inszenierte die "Meistersinger" auf Hitlers Reichsparteitagsgelände. "Ich wollte niemanden provozieren. Die Leute, die ich erreichen wollte, die sind die, die jünger sind und offen. Bei mir geht es um Politik", so Cara. "Wir haben diese Geschichte und die Augen davor zuzumachen, ist obszön", erklärt Intendant Tölle. Für ihn bietet die Kulturhauptstadt auch die Möglichkeit, sich genau solchen Fragen zu stellen – so könnten auch neue Antworten entstehen, auch etwa bei den "Meistersingern".
Die Botschaft, die Wagner hier am Ende stellt, die Vision ist: Das Erreichen einer Zusammengehörigkeit durch Kunst.
Highlight im Sommer: Das Nürnberger Klassik Open Air im Luitpoldhain | Bildquelle: BR/Florian Deglmann Bei der Bewerbung um die Kulturhauptstadt Europas spielen für die Metropolregion Teilhabe und Inklusion eine große Rolle. So kann sich der Leiter des Bewerbungsbüros Hans-Joachim Wagner auch etwa eine Wagner-Oper mit Audiodeskription im Bayreuther Festspielhaus vorstellen. Sollte sich Nürnberg den Titel sichern, wünscht sich der Bewerbungsbüro-Leiter eine Opern-Uraufführung, dirigiert von Joana Mallwitz, inszeniert von Staatsintendant Jens-Daniel Herzog.
Der Leiter des Nürnberger Kulturprojektbüros Andreas Radlmaier könnte sich vorstellen, dass die nach Weihnachten leerstehenden Buden des Christkindlesmarktes zum Abschluss des Kulturhauptstadt-Jahres 2025 für ein großes Fest noch einmal mit Leben gefüllt werden könnten. Am 28. Oktober entscheidet sich, ob Nürnberg den Titel bekommt.
Sendung: "Piazza" am 10. Oktober 2020 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK