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Interview mit Okka von der Damerau "Viele von uns kennen die Einsamkeit"

Das Münchener Kammerorchester gibt heute im Prinzregententheater ein Benefizkonzert zu Gunsten der Münchner Aids-Hilfe. Mit dabei ist die Mezzosopranistin Okka von der Damerau, die den Solopart in der "Rhapsodie für Altstimme, Männerchor und Orchester" von Johannes Brahms singt. Über die Einsamkeit in der Musik und die besonderen Qualitäten der Altstimme spricht die Sängerin im Interview mit BR-KLASSIK.

Bildquelle: Daniel Schäfer

BR-KLASSIK: Die Alt-Rhapsodie von Johannes Brahms ist ein sehr ungewöhnliches Werk. Das fängt schon beim Titel an, in dem das Wort „Alt“ enthalten ist – das ja eine Stimmlage bezeichnet. Ist das eine Musik, die nur von einer Altstimme gesungen werden kann?

Okka von der Damerau: Ja, ganz bestimmt. Auch wegen der Farben, die man braucht - gerade in der Tiefe. Zudem passt der Charakter der Musik zu diesem Stimmfach. Das Werk ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Es ist ja auch ein Männerchor dabei, mit tiefen Stimmen – das ist herrlich!

BR-KLASSIK: Wenn man die Bratsche als Beispiel nimmt: Die Bratsche, so heißt es, ist das Instrument, das immer eingesetzt wird, wenn es zu klagen gilt. Es gibt unendlich viele Elegien und traurige Stücke für Bratsche. Hat das auch etwas mit der tieferen mittleren Lage zu tun, dass man besonders gut darin klagen kann?

Die Alt-Stimme ist vielschichtig klagend, auch mütterlich.
Okka von der Damerau

Okka von der Damerau: Ganz sicher hat die Altstimme etwas weniger Jubilierendes, Positives, vielleicht auch manchmal etwas Naives. Vielmehr ist sie eher vielschichtig klagend, auch mütterlich. Sie findet sich überall dort, wo es ums Herz geht.

BR-KLASSIK: Dann ist es am Schluss auch durchaus tröstlich, wenn Sie "mütterlich" sagen.

Eine tröstliche Farbe

Okka von der Damerau: Daran habe ich auch gedacht. Viele von uns kennen diese Einsamkeit, die anklingt. Es ist schön, wenn am Schluss diese tröstliche Farbe auftaucht. Erst dieser einsame Anfang mit der einsamen Stimme, und danach kommt der Chor dazu - das ist absolut positiv. Ich könnte mir aber vorstellen, dass Brahms das erstmal nicht so geplant hatte. Ich denke es ging ihm schon um seine Einsamkeit. Aber ich finde, das ist sehr tröstlich zum Schluss.

BR-KLASSIK: Man sagt ja, dass Brahms mit der Komposition der Rhapsodie eine unerfüllte Liebe zu Clara Schumanns Tochter verarbeitet hat. Brahms durchlebte auch mit Clara Schumann eine unglückliche Liebe, und die Tochter von Clara Schumann hat geheiratet. Es handelt sich also möglicherweise auch hier um jene Einsamkeit, die nie vorbei geht. Wie stark beeinflusst das einen, wenn man so ein Stück gestaltet?

Es ist wichtig, dass wir uns mehr um einander kümmern.
Okka von der Damerau

Okka von der Damerau: Ich denke eher an die Jetztzeit. Ich bin genauso wie Brahms sehr verbunden mit Hamburg und der düsteren norddeutschen Wetterlage - wenn man also mal einen Tag hat, der nicht sonnig ist. Ich denke auch an den Anlass der Aufführung, das Benefizkonzert für die Münchner Aids-Hilfe. Viele Menschen kennen wohl die Situation, wenn man sich einsam und ausgestoßen von der Gesellschaft fühlt. Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns erinnern und uns mehr um einander kümmern.

BR-KLASSIK Liveübertragung

Das Benefizkonzert des Münchener Kammerorchesters wird heute Donnerstag, 23. März live im BR-KLASSIK-Hörfunk übertragen. Beginn ist um 20:03 Uhr.

BR-KLASSIK: In der Einsamkeit kann man ja manchmal auch intensivere Erfahrungen machen - wie es bei Goethes Wanderer in der "Harzreise im Winter“  der Fall ist. Da stürmen die Eindrücke noch viel inniger auf einen ein.

Ein Sturm-und-Drang-Gefühl

Okka von der Damerau: Ja, es ist ein wirkliches Sturm-und-Drang-Gefühl. Dass man rausgeht in die Natur, wo man nur mit sich ist und die Dinge verarbeitet, die auf einen einstürzen. Man sollte sich darauf besinnen, was wirklich wichtig ist im Leben. Das ist ein sehr romantisches Thema.

BR-KLASSIK: Sind Sie denn eigentlich eine Alt-Stimme? Wenn man in Ihrer Biografie liest, heißt es dort, Sie wären Mezzosopran.

Okka von der Damerau: Gute Frage. Grundsätzlich denke ich, man soll das singen, was man singen kann. Ich finde es überflüssig, wenn man alles in noch kleinere Gliederungen unterteilt. Wichtig ist, dass man sich wiederfindet in dem, was man singt, und dass man die Töne dafür hat. Ich würde mich auf jeden Fall als Mezzosopran bezeichnen. Aber die Altlage liegt mir gut.

Das Gespräch für BR-KLASSIK führte Bernhard Neuhoff.

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