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Vorbericht – Mozarts "Idomeneo" bei den Opernfestspielen München Die Welt der Alten ins Wanken bringen

Es ist die letzte Neuproduktion der Ära Nikolaus Bachler als Staatsopernintendant in München. Mit Mozarts "Idomeneo" schlägt die Bayerische Staatsoper den historischen Bogen zu den Wurzeln der langen Operntradition an der Isar. Denn "Idomeneo" wurde 1781 im Münchner Cuvilliéstheater uraufgeführt. Nun wird "Idomeneo" im Prinzregententheater während der Opernfestspiele 2021 szenisch neu hinterfragt – von Regisseur Antú Romero Nunes, Constantinos Carydis dirigiert. Am 19. Juli ist Premiere.

Bildquelle: Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl

Der Vorbericht zum Anhören

Der kretische König Idomeneo kommt siegreich aus Troja zurück. Kurz vor der Ankunft in der Heimat wird es noch einmal dramatisch: Die Schiffe der Heimkehrer drohen im Sturm zu kentern. Um den Meeresgott Neptun zu besänftigen, schwört Idomeneo, das erste Lebewesen zu opfern, das er am Strand trifft. Es ist sein Sohn Idamante. Der hat noch ein ganz anderes Problem: Er ist Elettra versprochen, liebt aber Ilia, eine trojanische Prinzessin, die sein Vater als Gefangene nach Kreta verschleppt hat.

Zwischen tödlicher Bedrohung und zwei Frauen

"Idomeneo" verhandelt also gleich mehrere Geschichten: Als wäre das Schicksal Idamantes, der dem Meeresgott geopfert werden soll, nicht schon schlimm genug, soll er sich auch noch zwischen zwei Frauen entscheiden, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Hanna-Elisabeth Müller kennt sie beide: Vor ein paar Jahren hat sie in Zürich die Ilia gesungen – jetzt ist sie in München als Elettra besetzt: "Ilia ist eine sehr zarte junge Frau, und als solche die zurückhaltendere Figur", sagt die Sängerin. "Auch musikalisch gezeichnet ist sie sehr viel besonnener, überlegter, sehr sicher in dem, was sie macht und wie sie Dinge sieht. Elettra ist genau das Gegenteil, sie ist impulsiv, lässt sich treiben. Alles, was bei ihr passiert, ist mit doppelter Wucht nach außen reflektiert."

Es geht darum, dass ein Vater versucht, seinen Sohn nicht zu hassen.
Regisseur Antú Romero Nunes

"Idomeneo" ist auch eine Generationengeschichte. Ein Herrscher krallt sich an die Macht. Und der Sohn verlangt die Machtübergabe. Regisseur Antú Romero Nunes fasst den Konflikt in einem Satz zusammen: "Es geht darum, dass ein Vater versucht, seinen Sohn nicht zu hassen." Der Sohn rüttelt an der Macht des Vaters, der ihm die Zukunft verbaut. Somit diskutiert das Stück auch den Konflikt zwischen alter und neuer Zeit. Wie bringt man das auf die Bühne?

Die Inszenierung in Bildern

Nunes will die alte Ordnung auf der Bühne umbenennen

Mozarts "Idomeneo" an der Bayerischen Staatsoper in der Inszenierung von Antú Romero Nunes; Münchner Opernfestspiele 2021 | Bildquelle: Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl Mozarts "Idomeneo" an der Bayerischen Staatsoper in der Inszenierung von Antú Romero Nunes; Münchner Opernfestspiele 2021 | Bildquelle: Bayerische Staatsoper/Wilfried Hösl Auf eine konkrete zeitliche Verortung des Stücks, etwa mit Requisiten, hat das Regieteam bewusst verzichtet. Dafür aber arbeitet die fürs Bühnenbild verantwortliche britische Künstlerin Phyllida Barlow mit Skulpturen. "Die sind immer sehr schön gedacht und sehr spielerisch", erklärt der Regisseur. "Die muten an wie Dinge, die man so findet am Meer. Einen verfallenen Steg etwa, Ruinen von Bunkern oder Industriebauten. Wir haben viel darüber gesprochen, dass man heute ja auch Bauten umbenennt. In Hamburg zum Beispiel gibt es einen Club in einem Bunker. Die jüngere Generation benennt einfach das neu, was früher schon mal da war." Die alte Ordnung umbenennen – und damit die Welt der Alten ins Wanken bringen: Nunes will, dass das seine junge Sängertruppe auch auf die Bühne bringt – mit viel Bewegung und körperlicher Action.

Zur Entstehung von Mozarts "Idomeneo"

Vor der Fertigstellung dieses Auftragswerks des bayerischen Kurfürsten Carl Theodor hatte Mozart im November 1780 in der Burgstraße 6 in München Quartier bezogen: im Haus "Sonneneck" im zweiten Stock. Bis zur Uraufführung am 29. Januar 1781 war noch allerhand zu tun. Vor allem die zähen und nicht enden wollenden Rezitative der drögen Vorlage des Salzburger Hofkaplans Giambattista Varesco hat Mozart radikal zusammengestrichen. Und noch viel später fühlten sich Komponistenkollegen bemüßigt, an diesem ersten der sieben späten Meisterwerke Mozarts Hand anzulegen. Dazu zählt etwa Richard Strauss, der der erstaunten Musikwelt 1931 eine Version präsentierte, die nicht mehr sehr viel Mozart, dafür aber über 60 Partiturseiten reinsten Strauss enthielt.

Man muss sich einfach darauf einlassen und probieren.
Hanna-Elisabeth Müller

Hanna-Elisabeth Müller wagt – und gewinnt

Hanna-Elisabeth Müller war skeptisch – aber nur kurz: "Als ich so die ersten Ahnungen bekommen habe, wie das laufen soll, dachte ich: Das kann ich nicht. Man will am liebsten einfach stehen und sich konzentrieren können. Und je mehr man ahnt, was man alles zusätzlich machen soll, denkt man: oh,oh,oh … Aber: Man muss sich einfach darauf einlassen und probieren. Und wie es so oft ist: Natürlich ist auch das machbar."

Sopranistin fühlt sich gut aufgehoben bei Elettra

Ausprobieren, sich darauf einlassen, etwas wagen – da trifft sich die Arbeitsweise von Antú Romero Nunes mit der des jungen Mozart. Dribbeln statt vorhersehbare Pässe schlagen. Auch wenn man damit aneckt: "Wenn einer dribbelt, dann ist es verdächtig. Arrogant, ohne Tiefe, nicht effizient. Das war Mozart egal. Der wird umso spielerischer, umso tiefer es wird. Und das gefällt mir an ihm." Einen Weg zurück zur Ilia wird es für Hanna-Elisabeth Müller wohl nicht mehr geben, denn da warten noch andere Mozartfrauen. Unter ihnen die Figaro-Gräfin. Und außerdem: "Ich fühle mich bei Elettra ganz gut aufgehoben".

Der Münchner "Idomeneo"

Premiere: Montag, 19. Juli 2021, 18:00 Uhr, Prinzregententheater München
Infos zu Besetzung und weiteren Terminen erhalten Sie auf der Homepage der Bayerischen Staatsoper.

BR-KLASSIK überträgt die "Idomeneo"-Vorstellung am 24. Juli ab 18 Uhr live aus dem Münchner Prinzregententheater.

Sendung: "Allegro" am 16. Juli 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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