Wie trinkfest und sangesfreudig waren die Briten vor 350 Jahren? Die "Barokksolistene" aus Norwegen geben die Antwort im ersten Konzert der Reihe "Passagen" in Fürth. Der Auftakt zu einer Saison der musikalischen Brückenschläge - von intuitiver Musik über französische Chansons bis zum orientalischen "Seidenmond".
Bildquelle: Matthew Long
Um 1650 in London: Seine Geige versteckt der Mann unter einem zerschlissenen Mantel, eingewickelt in ein schäbiges Tuch. Er, noch vor kurzem der in ganz London angesehene Konzertmeister an der Oper, mischt sich jetzt unter die Trinker und Taugenichtse, schleicht sich in die Taverne. Dort trifft er etliche seiner früheren Kollegen – alles angesehene Meister ihres Faches – um zunächst einige populäre Airs von Henry Purcell zu spielen und später, wenn der Lärm- und Alkoholpegel seinen Höhepunkt erreicht hat, die übliche Abfolge von Folksongs und Saufliedern.
Barockmusik aus britischen Pubs: Das Originalklang-Ensemble Barokksolistene mit seinem Programm "The Alehouse Sessions" ist zu Gast in Fürth. | Bildquelle: Matthew Long Wir sind im puritanischen London des 17. Jahrhunderts unter Oliver Cromwell, der mit Feuereifer allem künstlerischen Treiben den Garaus zu machen versuchte: indem er Musik verbot, Theater schloss, Vergnügungen genrell einschränkte. Dieses Setting bildet die Kulisse für die Projekte "The Alehouse Sessions" und "The Playhouse Sessions" des norwegischen Originalklang-Ensembles "Barokksolistene". Arbeitslose Hofmusiker taten sich mit den Musikanten der zahlreichen Londoner Pubs zusammen und so entstand ein ganzer Schatz an wundervoller Musik.
In den Hinterzimmern der Kneipen gingen Shakespeare, Commedia dell’arte und Jonglage eine glückliche Liaison mit Musik von Purcell, Volksweisen und Matrosenliedern ein. Nachdem in Großbritannien ein Jahrhundert lang zivile Unruhen und die Pest geherrscht hatten und so ziemlich alles, was Spaß macht, verboten gewesen war, lechzte das Publikum nach Unterhaltung. Man wollte endlich wieder richtig feiern!
Donnerstag, 09. November 2023: "Alehouse Sessions" mit den Barokksolistene
Donnerstag, 18. Januar 2024: "Intuitive Musik - Musik im Augenblick" mit Markus Stockhausen
Donnerstag, 11. April 2024: "Barbara et Baroque - Vom Barock zur Chanson-Ikone" mit Noëmi Waysfeld
Donnerstag, 16. Mai 2024: "La Luna de Seda - der Seidenmond" mit Renaud Garcia-Fons
Mit ihrer Reise in die englischen Pubs eröffnen die "Barokksolistene" am 9. November die neue Saison der "Passagen" in Fürth, einer gemeinsamen Konzertreihe von BR-KLASSIK Franken, Stadttheater und Kulturforum Fürth. Seit über fünfzehn Jahren lockt die Reihe mit ungewöhnlichen Brückenschlägen jenseits aller stilistischen Schubladen ein neugieriges Publikum in die alte Halle des Fürther Gründerzeit-Schlachthofs, in die inzwischen längst die Kultur eingezogen ist. Ob Klassik und Jazz, Alte Musik und Neue Musik, Weltmusik und Kammermusik – in vier Konzerten wird der musikalische Grenzgang zelebriert.
Das Trio der Sängerin Noemi Waysfeld "La Serena" | Bildquelle: Antoine Girou Nach dem Saufgelage im Alehouse richtet sich im zweiten Konzert der musikalische Blick nach Innen: Stefan Poetzsch, Christian Thomé und Markus Stockhausen lassen die Intuition fließen: Kreativität aus dem Moment heraus, Improvisieren ohne Muster und Floskeln, auf Violine, Viola, Trompete, Flügelhorn und Percussion und eingebettet in einen nie versiegenden Strom ausgetüftelter Electronic Sounds. Die dritte Passage führt nach Frankreich zu der Sängerin und Poetin Noëmi Waysfeld. Ihre Lieder changieren zwischen Barockmusik, der alten judäo-spanischen Musik der sephardischen Tradition und den französischen Chansons der legendären 60er-Jahre-Ikone Barbara. Ein Abend von trauriger Aktualität mit Liedern zu Flucht und Vertreibung.
Die "Passagen"-Saison endet mit einem Musiker, der beispielhaft für den Gedanken einer Musik über kulturelle Grenzen hinweg steht: Der spanische Kontrabassist Renaud Garcia-Fons schart Saiteninstrumente verschiedener Länder und Kontinente um sich. Unter dem Motto „La Luna de Seda – Der Seidenmond“ lässt er zusammen mit seinen spanischen und türkischen Musikern den faszinierenden Reichtum der Musik zwischen Orient und Okzident erklingen.
Sendung: Allegro, 08.11.2023 ab 6:05 Uhr
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