Nachdem der Pianist Igor Levit die gegen ihn gerichteten Morddrohungen im "Tagesspiegel" öffentlich gemacht hat, fordern Politiker wie der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck und Bundestagspräsident Schäuble härtere Maßnahmen gegen Antisemitismus. Die CDU in Hannover, wo Levit an der Musikhochschule Professor ist, schlägt eine Städtepartnerschaft mit einer israelischen Stadt vor.
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Im November 2019 hatte Starpianist Igor Levit eine Mail mit Morddrohungen bekommen, die sich auf ein Konzert in Süddeutschland bezogen. Levit schaltete die Polizei ein und spielte das Konzert trotzdem – unter Personenschutz und von umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen begleitet.
Levit, der zu den renommiertesten Pianisten der Gegenwart zählt, engagiert sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. So gab er 2018 anlässlich des Skandals um die Rapper Kollegah und Farid Bang seinen ECHO KLASSIK-Musikpreis zurück. Anlässlich der Verleihung des neuen Klassikpreises "Opus Klassik" 2019 hielt er eine viel beachtete Rede gegen die Verrohung der Sprache. Seinen Preis widmete er den Opfern des Anschlags von Halle.
Die Würde des Menschen, der Menschen, wird angetastet und angegriffen.
Die gegen ihn gerichteten Morddrohungen hatte Levit erstmals in einem Gastbeitrag für die Berliner Zeitung "Der Tagesspiegel" vom 29. Dezember 2019 öffentlich gemacht. Darin schrieb Levit über die in Deutschland, aber auch weltweit immer stärker werdenden rassistischen und rechtsradikalen Tendenzen: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt, heißt es im Artikel 1 des Grundgesetzes. Ein Anspruch und ein Ideal, geboren aus den Schreckenserfahrungen von Holocaust und Weltkrieg. Aber die Diskrepanz zu unserer Realität ist krass. Verfassungsnorm und Lebenswirklichkeit klaffen auseinander. Die Würde des Menschen, der Menschen, wird angetastet und angegriffen. In Deutschland – ständig, jeden Tag, irgendwo."
Habe ich Angst? Ja, aber nicht um mich, sondern um dieses Land. Mein Land.
Dabei sei er selbst nur einer von vielen, die von rassistischer Gewalt bedroht seien. Als Beispiel nennt Levit etwa den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. "Habe ich Angst? Ja, aber nicht um mich", schreibt Levit. "Nicht um mich, sondern um dieses Land. Mein Land. Unser Land." Nährboden des Hasses sei die enthemmte Sprache: "Erst die Sprache, dann die Tat. Und aus den Echokammern des Netzes brandet Beifall auf. Völkischer Hass nimmt alles ins Visier, was ihm nicht passt."
In Reaktion auf Levits Beitrag im "Tagesspiegel" haben mehrere Politiker härtere Maßnahmen gegen antisemitischen Hass gefordert, darunter Bundestagspräsident Schäuble (CDU) und Grünen-Co-Vorsitzender Robert Habeck. Dieser zollte Levit Respekt dafür, wie er mit den Morddrohungen umgegangen sei: "Es spricht für das Kämpferherz von Igor Levit, dass er das öffentlich macht, sich wehrt." Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung Felix Klein forderte ein höheres Strafmaß für den Tatbestand der Volksverhetzung.
Es spricht für das Kämpferherz von Igor Levit, dass er das öffentlich macht.
Auch aus Hannover, wo Levit studierte und seit Beginn des Semesters als Professor an der Musikhochschule lehrt, bekommt er demonstrativ Rückendeckung. Etwa vom neu gewählten Oberbürgermeister Belit Onay (Die Grünen). Als konkrete Maßnahme forderte nun die CDU Hannover eine Städtepartnerschaft mit einer israelischen Stadt, wie die Hannoversche Allgemeine vom 2. Januar berichtet (mit Bezahlschranke). Levit stammt allerdings nicht aus Isreal. Geboren wurde er 1987 im russischen Nishni Nowgorod. Seit er acht Jahre alt ist, leben seine Familie und er in Deutschland.