Mit seiner Inszenierung von Jacques Offenbachs "Großherzogin von Gerolstein" an der Semperoper in Dresden, ist Regisseur Josef Köpplinger eine unterhaltsame Offenbach-Sause gelungen. Der Intendant des Münchner Gärtnerplatztheaters wurde lautstark gefeiert. Enttäuschend war dagegen Anne Schwanewilms in der Titelrolle.
Bildquelle: © Semperoper Dresden/Ludwig Olah
Über die Kleinstadt Gerolstein in der Vulkaneifel erfährt der Zuschauer in dieser Operette trotz den Titels zwar nichts, dafür jedoch über einige Zwergstaaten, die es tatsächlich gibt. So hat der Vatikanstaat wegen der vielen Taschendiebe auf dem Petersplatz die gemessen an den Einwohnern höchste Kriminalitätsrate der Welt, Monaco mit 90 Jahren die höchste Lebenserwartung und Andorra die höchste Zahl an Staatsoberhäuptern, nämlich zwei. Vor allem aber gibt es vier Länder auf der Welt, die ohne Militär auskommen, so das Programmheft der Dresdener Semperoper.
Bildquelle: © Semperoper Dresden/Ludwig Olah Jacques Offenbachs fiktives Gerolstein gehört zwar nicht dazu, wohl aber Liechtenstein, Costa Rica, die Salomonen und Tuvalu in der Südsee. Wer weiß, vielleicht ist das mal in irgendeinem Quiz die Millionen-Euro-Frage. Es ist also äußerst lehrreich, sich mit Zwergstaaten zu beschäftigen, vor allem jedoch unterhaltsam, wenn ein so versierter Regisseur zugange ist wie Josef Köpplinger, im Hauptberuf Intendant des Münchner Gärtnerplatztheaters.
Er brachte gleich noch ein paar seiner operettenbegeisterten und -gestählten Stamm-Sänger mit nach Dresden zur Premiere der "Großherzogin von Gerolstein", nicht zuletzt deshalb wurde der Abend zu einem begeistert beklatschten Erfolg.
Offenbach schrieb eine herrlich bizarre Militär-Satire, lässt eine übergeschnappte Großherzogin auftreten, die reihenweise Soldaten vernascht und nach Belieben befördert und degradiert, vor allem aber in den Krieg schickt, obwohl es nicht den geringsten Grund dafür gibt. Also werden in der Dresdener Inszenierung mangels Feinden reihenweise Touristen gefangen genommen, die belagern die Stadt ja tatsächlich das ganze Jahr.
Bildquelle: © Semperoper Dresden/Ludwig Olah Passend zur gerade erfolgten festlichen Wiedereröffnung der weltberühmten, benachbarten Gemäldegalerie verlegten Köpplinger und sein Ausstatter Johannes Leiacker ihr Gerolstein ins Kunst-Museum, allerdings ein Museum, das etwas lädiert ist. Die Ölgemälde sind von Gewehrkugeln und Kanonen durchsiebt, Kriegsgott Mars schaut grimmig aus einem Goldrahmen.
Ja, es ist ein altmodischer Operettenstaat, der hier vorgeführt wird, die Kostüme von Alfred Mayerhofer verweisen aufs 19. Jahrhundert, die Texte jedoch teilweise in die Gegenwart. So beschwert sich der schwule Prinz Paul über investigative Journalisten und beteuert, garantiert nicht auf einer Pegida-Demo gewesen zu sein, weil er montags immer seinen "Sauna-Tag" habe. Solche orts- und zeittypischen Anspielungen gehören natürlich zwingend zu einer guten Offenbach-Aufführung, war Operette zu dessen Zeiten doch das, was heute Satire-Shows im Fernsehen sind.
Choreograph Adam Cooper ließ die Gerolsteiner Soldaten-Kompanie munter auf und ab galoppieren, mehr Beute der Liebe als Beute des Krieges: Was für eine Umkehrung der Metoo-Debatte! Hier lässt die Großherzogin das Badewasser ein und wird beim hübschen General zudringlich, bis die Enten quietschen und der Schaum durch die Gegend fliegt. Es wird ein Mordkomplott geschmiedet, Intrigen gesponnen, aber blutig wird es nicht, nur mutig, denn die Kerle tanzen Schwanensee und die Frauen greifen sich, wen sie wollen. 1867 war das sicherlich Science-Fiction, heute immerhin noch ungewöhnlich.
Bildquelle: © Semperoper Dresden/Ludwig Olah Ein herrlich witziger Offenbach-Abend, zugegeben, nicht sonderlich ambitioniert, verstörend oder provokant, dafür jedoch schwungvoll, treffend und professionell. Leider glänzte Anne Schwanewilms nicht gerade in der Titelrolle, war wenig textsicher, stimmlich sehr gehemmt, schauspielerisch ganz und gar keine männerverschlingende Amazone. Dafür meisterten die beiden aus München angereisten Daniel Prohaska als Prinz Paul und Sigrid Hauser als martialische Hofdame ihre Rollen mit ungewöhnlich großem Elan und Esprit.
Auch Maximilian Mayer als umschwärmter und blitzbeförderter Fritz war bestens aufgelegt und stimmlich frisch und unverkrampft. Martin Winkler gab einen wunderbar brummigen General, mal nicht nur trottelig, wie sonst oft zu sehen, sondern durchaus Herr seiner Sinne. Dirigent Jonathan Darlington gelang mit der Dresdener Staatskapelle eine mitreißende Offenbach-Sause, die gar nicht enden wollte: Selbst zur Rausschmeißer-Musik blieb das Publikum gut gelaunt sitzen, denn, so die Dresdener Gewohnheit, wenn die Staatskapelle spielt, verlässt keiner den Raum. Ob das in Gerolstein auch so ist?