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Premierenkritik - "Der Barbier von Sevilla" in Meiningen Trubel mit wenig Zündstoff

Grelle Kostüme, ausdrucksstarke Masken und dazu ein fahrender Rasierpinsel: Alles gute Voraussetzungen für einen derben und frechen "Barbier von Sevilla"- eigentlich. Peter Jungblut über die Premiere von Rossinis Oper am 14. Oktober am Meininger Theater.

"Der Barbier von Sevilla" am Meininger Theater | Bildquelle: © Marie Liebig

Bildquelle: © Marie Liebig

Das klassische italienische Dorftheater, die "Commedia dell'arte", ist vor allem respektlos, derb und frech - so frech, dass der am 13. Oktober verstorbene Literaturnobelpreisträger und Possenreißer Dario Fo immerhin rund vierzig Beleidigungsklagen über sich ergehen lassen musste, und mehrmals direkt auf der Bühne von den Behörden festgenommen wurde. Vor der Commedia dell'arte mussten die Mächtigen zittern; insofern steckt auch in Rossinis heiterem "Barbier von Sevilla" jede Menge Zündstoff. Davon war allerdings gestern Abend auf der Bühne des Südthüringischen Theaters in Meiningen wenig zu sehen.

Satirische Schärfe - Fehlanzeige

Zwar setzte auch Regisseur Lars Wernecke auf die Mittel der Commedia dell'arte, also grelle Kostüme, ausdrucksstarke Masken und überdeutliche Gesten, aber das alles blieb eher verspielt und harmlos, von satirischer Schärfe keine Spur. Ausstatter Helge Ullmann hatte einen riesigen Frisierstuhl entworfen - so riesig, dass die Sänger auf Ameisengröße schrumpften. Auch alle anderen Haarpflegemittel waren überdimensional groß, die Schere, der Wassersprüher, der Kamm - und der Barbier selbst fuhr mit einem schnittigen Rasierpinsel auf die Bühne, eine Art Ferrari unter den Naturborsten.

Belanglose drei Stunden

Das alles war niedlich anzusehen, aber auch etwas albern. Das darf in der Commedia dell'arte durchaus sein, wo ja der Hanswurst keine intellektuellen Scherze treibt, sondern allgemeinverständliche. Dennoch blieb der knapp dreistündige Abend trotz poetischer Bilder und einer einfallsreichen Lichtregie allzu belanglos. Schon während der Ouvertüre kramte der Figaro emsig in Friseur-Antiquitäten, versuchte einen Luftballon zu rasieren und eine Perücke in Form zu bringen. Doch das war insgesamt etwas viel Haarkunst - ist der Barbier im "Barbier von Sevilla" doch eigentlich eine Nebenrolle.

Hauptsächlich geht es um die unerfüllte Liebe der kessen Rosina und des wandlungsfähigen Grafen Almaviva. Zwischen beiden steht bekanntlich der trottelige Don Bartolo, der selbst ein Auge auf sein Mündel geworfen hat. Diese Geschichte wurde im ganzen Trubel nie wirklich plausibel und unterhaltsam, sie ging im Dauer-Gezappel der Akteure völlig unter. Dazu trug das unglückliche Bühnenbild bei: Unentwegt und umständlich mussten die Sänger den Riesen-Frisierstuhl mit eingebautem Balkon erklimmen - wozu, erschloss sich nicht.

Freundlicher Applaus

Dirigent Stefano Seghedoni behielt die Zügel ziemlich locker in der Hand; etwas mehr Tempo und Biss wären von Vorteil gewesen. Der südkoreanische Bariton Dae-Hee Shin gab einen spielerisch gut aufgelegten, aber stimmlich etwas verschatteten Figaro. Der südafrikanische Tenor Siyabonga Maqungo als verliebter Graf war arg statisch in seinen Bewegungen, die Mezzo-Sopranistin Carolina Krogius als Rosina dagegen eher übermotiviert, so hektisch, wie sie wippte, tanzte und schunkelte. Das Publikum reagierte am Ende freundlich, aber nicht enthusiastisch auf diesen "Barbier von Sevilla". Was für ein Kontrast zur Produktion an der Komischen Oper Berlin, die mit ihrer anspruchsvollen und umstrittenen Deutung des "Barbiers" letzte Woche Schlagzeilen machte.

Weitere Termine

Die nächsten Vorstellungen von Rossinis "Der Barbier von Sevilla" Meininger Theater sind am 16. und 22. Oktober. Die letzte Aufführung findet am 13. Mai 2017 statt.

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