Stalin missbilligte Dmitri Schostakowitschs Oper "Lady Macbeth von Mzensk" und ließ den berühmten Schmähartikel mit der Überschrift "Chaos statt Musik" schreiben, der Schostakowitsch verunglimpfte und seine „Lady Macbeth“ von den Spielplänen der Sowjetunion tilgte. Dessen ungeachtet gehört Schostakowitschs Oper heute zu den herausragenden Musiktheaterwerken des 20. Jahrhunderts. Musikalisch ist sie eine enorme Herausforderung für alle Mitwirkenden.
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Russische Polizisten können sehr beunruhigend wirken. Der Regisseur Dmitri Tcherniakov weiß das. Und so läxxt er den Männerchor der Oper Lyon als unberechenbar-gefährliche Meute auf die Bühne stolpern – in einer gespenstischen Mischung aus lächerlich und brutal. Mit geradezu sadistischem Vergnügen platzt die Gruppe in die Hochzeitsgesellschaft von Katerina und Sergej. Und innerhalb kürzester Zeit haben Sie die buchstäbliche Leiche im Keller des Ehepaars entdeckt. Es ist der Mann von Katerina, Sinowi, den sie und Sergej aus dem Weg geräumt haben, weil er ihrer Liebe im Weg stand. Ebenso wie den Schwiegervater. Der ist an Gift gestorben, was man nicht herausgefunden hat. Aber Sinowi liegt erdrosselt im Keller, das ist weniger unauffällig, und so sehen sich Katerina und Sergej im Gefängnis wieder. Dort hat Sergej allerdings keine Augen mehr für Katerina, dafür umso mehr für die Mitgefangene Sonietka.
Es ist die Entfesselung unkontrollierter emotionaler Zustände, die Dmitri Schostakowitsch in seiner zum Skandal gewordenen Oper schildert. Von einer erbaulichen Volksoper, die dem brutalen Diktator vorgeschwebt haben mag, ist die erste und einzige Oper Schostakowitschs fraglos Lichtjahre entfernt. Dafür ist sie ganz nah am Wüten menschlicher Emotionen und Extreme – vielleicht hat sich Stalin genau darin selbst erkannt und sie deshalb mir einer solchen Heftigkeit abgelehnt.
Bildquelle: Jean-Pierre Maurin Tcherniakov legt die Emotionen und psychischen Konstitutionen der Figuren mit enormer Präzision frei, seziert sie gewissermaßen mit dem Skalpell und stellt sie vor dem Zuschauer aus: die lüsterne Brutalität des Schwiegervaters, die erdrückende Dämlichkeit des Ehemanns, die brutale Sinnlichkeit des Liebhabers Sergej und natürlich vor allem die wie eine Wüstenpflanze nach dem Regen sich nach Liebe und Sexualität verzehrende Katerina. Grandios, mit welcher Rückhaltlosigkeit sich Ausrine Stundyte in die seelischen Abgründe dieser Figur hineinwirft. So wie Tcherniakov, der wie immer auch die Bühne entwarf und diese im Verlauf der Oper immer stärker fokussiert, bis am Schluss nur mehr eine kleine schäbige Gefängniszelle übrig bleibt. Alles fokussiert sich hier auf den seelischen Zerfall der Titelfigur. Auch gesanglich füllt die litauische Sopranistin die Partie bis in ihre entlegensten klanglichen Verästelungen überzeugend aus – eine faszinierende Einheit aus Klang und Darstellung, Musik und Psychostudie. Es erstaunt nicht, dass sie beim stürmischen Schlussapplaus erst einmal ein paar Minuten braucht, bis sie sich aus ihrer Rolle wieder befreit hat.
Bildquelle: Clive Barda Man merkt die lange Erfahrung, die Tcherniakov mit dieser Oper bereits hat; 2008 hat er sie in Düsseldorf inszeniert, danach in London . Auch für die Neuauflage seiner Regie in Lyon investierte er gut fünf Wochen Arbeit. Man sieht es an jeder Bewegung jedes einzelnen Choristen, die Tcherniakov zu Beginn in einer hyperrealistischen gegenwärtigen Fabrikhalle inclusive Gabelstaplerfahrer herumwuseln lässt. Auch John Daszak als Sergej und Vorarbeiter in diesem neuzeitlichen Kombinat bietet mit seiner testosteronschwitzenden Direktheit ein stimmiges Rollenbild, auch gesanglich. Überragend die musikalische Leitung durch Lyons Generalmusikdirektor Kazushi Ono, der Schostakowitschs musikalische Drastik vor allem in den orchestralen Zwischenspielen ebenfalls wie mit dem Skalpell herauspräpariert und damit Tcherniakovs Regie-Genialität ideal entspricht.
Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" ist in Lyon zu sehen am 25., 27., 29. und 31. Januar, sowie am 2., 4, und 6. Februar 2016.