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Das musikpädagogische Projekt "Consonanza" in München Proben zwischen Turnmatten und Kickertisch

Knapp 20 Kinder und Jugendliche werden im Münchner Werksviertel bei "Consonanza" unterrichtet. Wie beim venezolanischen Vorbild "El Sistema" könnte ihr sozialer Hintergrund bunter nicht sein: Er reicht von Mittelschule bis Gymnasium, ihre Eltern stammen aus aller Welt. Musikalische Vorkenntnisse sind für die Teilnahme nicht nötig – nur Leidenschaft für Musik müssen sie mitbringen.

Bildquelle: C.O.N. SONANZA e.V.

Luciana sitzt mit ihrem Cello zwischen Turnmatten, einer Kletterwand und einem Kickertisch. Hochkonzentriert versucht die 13-Jährige alles, was ihr Cellolehrer erklärt, umzusetzen. Luciana kommt aus Portugal und ist vor ein paar Jahren nach Deutschland gezogen. Ihre Familie könnte sich derzeit weder den Cello-Unterricht noch ein Instrument leisten. Das Musikprojekt "Consonanza" ermöglicht ihr beides: Der Unterricht ist kostenlos und dank Spenden von Stiftungen und Privatpersonen hat Luciana sogar ein Leihinstrument – genauso wie ihre jüngere Schwester, die Geige lernt.

Unterricht in einem Kraftwerk

Constanza Vagnini-Holbl hat das Projekt gegründet. Sie schließt damit an eine Familientradition an: "Also die Idee stand eigentlich schon immer im Raum, weil meine Eltern Gründungsmitglieder von 'El Sistema' in Venezuela sind", sagt die 33-jährige Sprachwissenschaftlerin. "Aber als wir 1989 hier nach München ausgewandert sind, habe ich diese wunderschöne Atmosphäre eigentlich von Kindheit an miterlebt und fand das immer toll, wie ein Orchester zu einer Familie zusammenwächst." Vor zwei Jahren hat Vagnini-Holbl angefangen, das Konzept für München anzupassen. Sie strahlt, wenn sie von der Entstehung des Projekts erzählt und davon, wie es plötzlich Wirklichkeit geworden ist.

Das ist ein wundervolles Projekt.
Dirigent Gustavo Dudamel über 'Consonanza'

Seit Anfang März werden drei Mal die Woche Streichinstrumente unterrichtet, alles gleichzeitig in einem großen Raum im Kulti-Kids ErlebnisKraftwerk. Es ist ein altes Fabrikgebäude mit Rohren und Gittern an der Decke, das zu einem Indoor-Spielplatz mit Rutschen und Trampolinen umfunktioniert wurde. "Das erste Mal, als ich hier in dieser Halle stand, war ich total überwältigt, weil ich mir so eine coole Location eigentlich für dieses Projekt gewünscht hatte", schwärmt Constanza Vagnini-Holbl vom Probenraum. "Das beeindruckt ja auch die Kinder und die erste Reaktion eines kleinen Teilnehmers war 'Ich will hier nie wieder weg, ich will Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag Geigenunterricht haben!'"

Höhere Motivation als an großen Musikschulen

Cellolehrer Leonardo Paredes unterrichtet zwei seiner Schülerinnen zwischen Turnmatten und Bierbänken. | Bildquelle: C.O.N. SONANZA e.V. Cellolehrer Leonardo Paredes unterrichtet zwei seiner Schülerinnen zwischen Turnmatten und Bierbänken. | Bildquelle: C.O.N. SONANZA e.V. Dass Geige, Cello und Kontrabass gleichzeitig in verschiedenen Ecken der Halle gespielt werden, stört weder die Kinder noch die Lehrer. Drei der bisher vier Lehrer kommen aus Venezuela und sind in ihrer Heimat mit José Antonio Abreus "El Sistema" groß geworden – dort war es oft nicht anders. Der Cellolehrer Leonardo Paredes hatte anfangs eher Bedenken, dass so ein Projekt in Deutschland gar nicht funktionieren würde, weil es eh schon so viele Angebote für Kinder gibt. Mittlerweile hat er gemerkt, dass das nicht stimmt: "Ich bin erstaunt, wie konzentriert und motiviert die Kinder sind. Ich unterrichte selbst in einer Privatschule und da muss ich mir die ganze Zeit ausdenken, was ich mache, um die Kinder zu motivieren." Seine Celloschüler unterrichtet er bei "Consonanza" einzeln und in der Gruppe, damit sie voneinander lernen und gleichzeitig aufs Orchesterspielen vorbereitet werden.

Meet and Greet mit Gustavo Dudamel

Einen kleinen Vorgeschmack, wie das vielleicht in der Zukunft einmal klingen könnte, durften die Schüler und Schülerinnen bereits erleben: Erst vor kurzem waren sie alle auf eine Probe der Münchner Philharmoniker eingeladen – vom Stardirigenten Gustavo Dudamel höchstpersönlich. Er ist der weltweit bekannteste Vertreter von "El Sistema" aus Venezuela, wo auch seine musikalische Karriere begonnen hat. Über den Besuch der Kinder von "Consonanza" in der Philharmonie hat er sich sehr gefreut. "Ich finde, das ist ein wundervolles Projekt. Wenn sich diese Idee weiterverbreitet und immer mehr Kinder Zugang zu Musik und Kunst bekommen, ist das etwas sehr Positives", sagt der 38-jährige Dirigent. "Und ich freue mich sehr, dass sie zur Probe mit den Münchner Philharmonikern kommen konnten. Weil man solche Erlebnisse als Kind unglaublich schätzt. Das ist fantastisch und es macht mich sehr glücklich, dass die Kinder das hören konnten."

Ich bin erstaunt, wie konzentriert und motiviert die Kinder sind.
Cellolehrer Leonardo Paredes

Beeindruckt waren sie alle, auch die elfjährige Laura. Sie stellt sich jetzt schon die Zukunft mit ihren neuen Freunden im Musikprojekt vor: "Also ich kann mir das sehr gut vorstellen, dass wir alle zusammen ein großes Orchester werden, vor allem mit den ganzen Kindern, die noch kommen werden."

Über das Projekt

"Consonanza" heißt das neue Musikprojekt im Werksviertel, das im März 2019 gestartet ist. Es werden noch Kinder und Jugendliche gesucht, die Lust haben, mitzumachen. Der Unterricht ist kostenlos. Anmelden können sich alle ab sieben Jahren. Unterstützer werden ebenfalls noch gesucht. Mehr Infos finden Sie auf der Homepage.

Sendung: "Leporello" am 11. Juli 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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