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Quatuor Ébène im Interview "Unser Wissen weiterzugeben, ist jetzt wichtiger denn je"

Es ist fast 20 Jahre her, da gewann das Quatuor Ébène den ersten Preis beim ARD Musikwettbewerb. Seitdem kehrte das Spitzenensemble immer wieder nach München zurück. Am Samstag spielt es im Prinzregententheater. Was das Quartett sonst noch so bewegt, darüber hat BR-KLASSIK mit Gabriel le Magadure, dem zweiten Geiger, gesprochen.

Bildquelle: © Julien Mignot

BR-KLASSIK: Herr le Magadure, das Quatuor Ébène ist wieder in München zu Gast. Das ist ja hier für Sie schon eine zweite Heimat...

Gabriel le Magadure: Das sagen wir uns auch immer gegenseitig. Wenn wir darauf zurückblicken, was wir in München schon vor zwanzig Jahren alles erlebt haben, ist das wirklich großartig. Das konnten wir uns damals gar nicht vorstellen. Wir waren 2004 noch Studenten und der ARD Musikwettbewerb war für uns so etwas wie der heilige Gral. Wir haben inzwischen das Gefühl, selbst Münchner Kindl zu sein. Denn mittlerweile haben wir hier mit der Ébène Quartet Academy ein zweites großes Ziel verwirklicht. Es gibt eine starke Verbindung zwischen uns und München, und viele Erinnerungen mit der Stadt.

BR-KLASSIK: Lehren scheint bei Ihnen eine Leidenschaft zu sein.

Gabriel le Magadure: Ja, es ist seit ein paar Jahren eine Passion von uns. Es ist uns sehr wichtig. Wir haben das Gefühl, durch die Corona-Pandemie und die Kriege in der Welt hat der Kontakt mit Kunst, Musik und dem Schönen für viele Menschen eine besondere Dringlichkeit bekommen. Gleichzeitig kürzen viele Regierungen aber die Ausgaben für Kultur, weil Kultur angeblich nicht "notwendig" ist. Das ist sehr traurig, und für Künstler nur schwer nachzuvollziehen. Deshalb denke ich, dass die Vermittlung von diesem Wissen heute wichtiger ist als jemals zuvor. Und wir können das vermitteln.

Als zweiter Geiger ist man das Herz des Quartetts.
Gabriel le Magadure, zweiter Geiger im Quatuor Ébène

BR-KLASSIK: Sie sind der zweite Geiger vom Streichquartett. Was lehren Sie ihre Schüler? Worauf kommt es bei der zweiten Geige besonders an?

Gabriel le Magadure: Wenn man zu einem Streichquartett-Konzert geht, dann sieht man zuerst das Cello, dann die Viola und eine Geige, die von einer zweiten Geige gedoppelt wird. Da stellt sich dann natürlich erst einmal die Frage: Warum braucht es zwei, wo doch die erste schon die Melodie spielt? Für die Studenten ist es anfangs vielleicht etwas frustrierend, die zweite Geige zu spielen. Ich hatte aber schon immer das Gefühl, dass das für mich die richtige Position ist. Ich weiß nicht genau, warum. Natürlich ist man etwas versteckt, aber im Grunde ist man das Herz des Quartetts. Man hört jede Melodie, jede Harmonie. Für mich ist diese Rolle fast schon die eines Diplomaten. Man ist in jedem Moment im Zentrum des Quartetts, weil man alle Stimmen ganz genau kennt.

Wir sollten uns auf einen buddhistischen Weg begeben.
Gabriel le Magadure, zweiter Geiger im Quatuor Ébène

BR-KLASSIK: Das Quartett gibt es schon seit über 20 Jahren. Gibt es da auch Phasen, wo man das Gefühl hat, man tritt auf der Stelle?

Gabriel le Magadure: Ich habe das Gefühl, als Musiker sollten wir uns in gewisser Weise auf einen buddhistischen Weg begeben: Wir verfolgen ein bestimmtes Ziel, das wir aber nie erreichen werden. Wenn wir das verinnerlichen, ist das der erste wichtige Schritt in Richtung einer Beständigkeit. Denn wenn wir als Künstler das Gefühl haben, wir hätten ein Ziel erreicht, dann sind wir im Grunde schon gescheitert. Wir suchen immer neuen Wege zu denken, zu proben und miteinander zu spielen. Das Leben als Quartett ist ein Ideal des gemeinsamen Lebens und Musizierens, wie bei Geschwistern. Du liebst sie wie deine Familie und du musst gut darauf Acht geben  –  wie auf Juwelen.

Sendung: "Leporello" am 19. Januar 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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