Lange war die Tangokultur in Argentinien von einem männlichen Blick auf die Welt geprägt. In Buenos Aires bricht nun ein queeres Tango-Orchester mit den konservativen Normen.
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Wer die Augen geschlossen hat und einfach den Tangoklängen lauscht, merkt gar nicht, was für ein besonderes Orchester in Buenos Aires auf der Bühne steht. Doch sobald man genauer hinschaut, wird der Bruch mit den Traditionen offenichtlich. Der Gesang kommt von einer Person in rotem Kleid, hohen Schuhen und langen Haaren - und mit einem Bartschatten.
Der Tango vermittelt oft ein eher konservatives Bild von Mann und Frau. | Bildquelle: Natacha Pisarenko picture alliance / AP Photo Alle 27 Mitwirkenden des Tango-Orchesters "La Empoderada" sind transgender, lesbisch oder nicht-binär. Für Valentin, Bratschist und 26-jähriger Trans-Mann, ist das nichts weniger als eine Revolution. "Das hier ist der Aufstand! Wir wollen die Musik revolutionieren und den Tango neu ausrichten." Die Rollen sind im traditionellen Tango klar verteilt. Das Ensemble hofft, mithilfe der Musik das Bild von einem eher aktiven Mann und einer eher passiven Frau als Entweder-Oder aufzubrechen. Das Logo der Gruppe - eine Frau mit langen, wilden Haaren, die ein Bandoneon spielt - steht für das Ziel, den Tango zu verändern.
Valentin lächelt hinter seiner runden Brille. Es macht ihm offenbar Spaß, die Tango-Klischees über den Haufen zu werfen. Dabei ist das Leben für alle, die nicht ins binäre oder konservative Raster der Gesellschaft fallen, in Argentinien alles andere als einfach. Zwar wurde kürzlich eine Trans-Quote für öffentliche Ämter eingeführt, doch Argentinien ist nicht so fortschrittlich, wie man denken könnte, sagt Valentin. Das Gesetz von 2021, das eine Änderung des Geschlechts im Pass möglich macht, sei nicht durchdacht worden, kritisiert der Musiker. Da könne man jetzt eben Mann, Frau oder nicht-binär ankreuzen, aber viele Ämter erkennen den dritten Status nicht an.
Für queere Menschen in Argentinien ist es ein langwieriger Kampf um Respekt und Empathie. Das Tango-Orchester "La Empoderada" ist nur ein Teil davon. Es will queeren Musikbegeisterten einen geschützten Raum geben, in dem sie sich ausdrücken und gegenseitig unterstützen können.
Sendung: "Allegro" am 14. Januar 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Samstag, 15.Januar, 06:18 Uhr
Nicole Nau
Gar nicht so schwach...
Aktiver Mann führt passive Frau? Da hat aber jemand den argentinischen Tango Argentino komplett falsch verstanden.
Die Rollen sind nämlich im Tango derart gleichwertig zwischen Mann und Frau, dass es ein Genuss ist auf Augenhöhe in Improvisation zu tanzen. Einer führt, die andere tanzt die Führung. Eine hochaktive Aufgabe übrigens. Der Tango braucht deshalb keine Revolution der Rollen, im Gegenteil lebt er von den magischen Inhalten der klassischen Rollen.
Vielleicht braucht man ein gutes Verständnis und Achtung für unsere argentinischen und volkstümliche Kultur. Tausende Menschen vor uns haben diesen Tango erschaffen. Ihnen gebührt Ehre.
Ich verstehe aber dass Menschen für sich etwas anderes neues erschaffen möchten. Unter diesem Aspekt kann gemeinsame Identität Kraft geben.
Der Tango aber braucht diese Art Revolution nicht. Er lebt sie von innen, jedes Mal, in jedem Tanz, jedem Stück und jeder Poesie. Hier messen wir uns.
Liebe Grüße aus Buenos Aires