Musik- und Kunsttherapie sollen jungen Flüchtlingen Hoffnung und Selbstbewusstsein geben. Seit 25 Jahren bietet Refugio München Jugendlichen und jungen Erwachsenen entsprechende Angebote: Musikgruppen, an denen die Flüchtlinge teilnehmen können. Für sie alle war es schwierig, sich in einem neuen Land und fern der eigenen Kultur zu orientieren. Seit vier Jahren gibt es von Refugio München dafür eigene Räume am Münchner Luise-Kiesselbach-Platz. In diesem Jahr unterstützt "Sternstunden", die Benefizaktion des Bayerischen Rundfunks, das Projekt.
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Samir aus Afghanistan, Yamen aus Syrien, Noah aus Somalia und Tan aus Vietnam haben sich in dem Raum im Haus St. Josef in München erstmals zusammengefunden, um mit Gitarrenlehrer Patrick Maresch zu arbeiten. Alle Vier sind Flüchtlinge, die ohne Begleitung nach Deutschland kamen. Samir etwa macht eine Ausbildung als Kinderpfleger, arbeitet mit Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Mit ihnen will er auch singen und musizieren.
Die von Refugio organisierten Musikgruppen sind offen, die Teilnahme ist freiwillig. Nebenan macht Samanta Ritzinger in einem hellen kleineren Raum Stimmübungen mit sechs jungen Frauen. Hier kann jeder mitmachen, ganz gleich, wie viel er schon kann. Das Ziel ist ein gemeinschaftliches Singen in der Gruppe, sagt die Kursleiterin.
Mir macht Singen Spaß! Und wir schreiben eigene Lieder.
In den Texten geht es um eigene Erlebnisse. Debora kommt aus Nigeria, genauso wie Elisabeth. Beide singen mit Begeisterung auch bei den "Shining Sisters", die es im Rahmen dieses Projektes schon viele Jahre gibt.
Bildquelle: BR / Dorothea Hußlein Im dritten Raum, einem Studio, arbeitet Gitarrenlehrer und Ton-Studio-Betreiber Patrick Maresch mit einer Gruppe junger Männer an Rap-Songs. Darunter ist auch der 19-jährige Ibrahima, der vor drei Jahren über den harten Fluchtweg aus Guinea über Libyen, Algerien und das Mittelmeer nach Deutschland kam. Er verarbeitet in seinem Rap den derzeit fehlenden Kontakt zu seiner Mutter. Das Musizieren sei immer sein Traum gewesen, erzählt Ibrahima. Seine Eltern jedoch seien sehr religiös gewesen und wollten das nicht. Im Refugio-Projekt wird sein Traum nun wahr. Ibrahima macht eine Ausbildung zum Industriemechaniker.
Betreut werden die Musikgruppen stets von zwei Gruppenleitern. Auch um da zu sein, falls einer der Teilnehmer individuell mehr Unterstützung braucht, wenn die Musik stärkere Emotionen freisetzt, was aber nicht oft passiert. Babou Bojangs ist einer der Gruppenleiter mit besonderer Vorbildfunktion, denn er war einst ebenfalls Teilnehmer. Heute studiert er Architektur, macht gerade seinen Master. Er will weitergeben, was auch ihm einst geholfen hat. Die Musik hat er als etwas Beruhigendes kennengelernt. Hier legt er den Stress ab und ist ganz bei sich.
Den Jugendlichen Hoffnung und Selbstbewusstsein zu geben, ist ein erklärtes Ziel. Das ist auch für die Musiktherapeutin Doris Kohlenberger, die diese Arbeit seit 17 Jahren macht, ein wichtiges Anliegen. Denn viele wissen nicht, selbst wenn sie eine Ausbildung machen, ob sie in Deutschland bleiben dürfen. Fragen zur Herkunft und ihrer Geschichte stellen die Musiktherapeuten nicht. Ihnen geht es um Musik. Sie spüre, dass Musik den meisten der Teilnehmer helfe, sagt Doris Kohlenberger.
Alle Therapeuten und Gruppenleiter wollen Begegnungswelten schaffen und den jeweiligen Teilnehmer da abholen, wo er vom musikalischen und kulturellen Background herkommt, erklärt die stellvertretende Geschäftsführerin von Refugio München, Annette Hartmann. Die einen könnten besser mit ihren Erlebnissen umgehen, anderen sehe man die Belastung viel deutlicher an.
Unser Weg hier ist, mit der Musik zu stärken.
Sendung: "Allegro" am 13. Dezember 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK