Verdis Erfolgsoper begeistert am Mainfrankentheater das Publikum: Der Titelheld erinnert an "Joker" aus dem Kino und bleibt dabei so verletzlich wie verzweifelt. Die Inszenierung zeigt, wie schwer sich starke Männer mit ihren schwachen Fantasien tun.
Bildquelle: Nik Schölzel / Mainfranken Theater Würzburg
Eigentlich bekommen die Würzburger Zuschauer für ihr Eintrittsgeld Verdis "Rigoletto" gleich zwei Mal geboten, einmal auf der Bühne und einmal im Orchestergraben, denn dort steht wieder mal Würzburgs Generalmusikdirektor Enrico Calesso. Der singt nicht nur jede Zeile leise mit, er durchleidet auch jeden Gemütszustand der aufwühlenden Geschichte, scheint mal tieftraurig, mal hellauf begeistert, mal verliebt bis zur Raserei. Dazu bewegt er seine Schultern, als ob er durch die Partitur fliegen wollte.
Akigo Tsuji (Gilda) und Roberto Ortiz (Herzog). | Bildquelle: Nik Schölzel / Mainfranken Theater Würzburg Der Mann ist wie ein Generator, der alle Sänger mit Starkstrom versorgt, mit Leidenschaft, mit Spannung. Ihm dabei zuzusehen ist mindestens so aufregend wie das Geschehen auf der Bühne. Nun wurde Calesso im venezianischen Treviso geboren, studierte in Venedig, einer der Geburtsstätten der Oper, und bringt von dort wohl auch die unbedingte Begeisterung für diese eigentlich ja völlig absurde Kunstform mit. Großartig, dass er diese Begeisterung auf das Orchester, den Chor und die Solisten übertrug und aus dem "Rigoletto" einen echten Psycho-Krimi machte. Dass er dabei immer wieder sehr rasant und unvermittelt das Tempo wechselte, also die Extreme liebte, gehört dazu und schadet beim "Rigoletto" nicht.
Südländisches Temperament strahlten auch zwei Solisten aus: Der mexikanische Tenor Roberto Ortiz war ein Herzog wie ein heißblütiger, lässiger Latin Lover in Sneakers und offenem Hemd, der ukranische Bass Igor Tsarkov wirkte mit seinem exakt gegelten Scheitel wie ein Auftragskiller der Cosa Nostra aus dem ganz tiefen Süden. Das hatte insgesamt schon fast "Italo Western"-Format und jedenfalls ganz viel Erotik, wenn auch eine total unmoralische, nämlich die Erotik der Gewalt und der Gier.
Der Chor in Rigoletto. | Bildquelle: Nik Schölzel / Mainfranken Theater Würzburg Insofern passte diese Besetzung sehr gut zur literarischen Vorlage für den "Rigoletto", nämlich Victor Hugos schwarzer Satire "Der König amüsiert sich" aus dem Jahr 1832. Ein revolutionäres Werk, dass mit den Launen des Hochadels abrechnet und unnachsichtig den Preis nennt für dessen ungezügelte Vergnügungen, nämlich den moralischen und politischen Bankrott. Hochaktuell, nicht nur wegen der vielen Metoo-Affären bei den Berühmten und Mächtigen.
Intendant und Regisseur Markus Trabusch und seine Ausstatterin Susanne Hiller setzten dabei nicht auf äußeren Firlefanz. Der Palast des Herzogs besteht aus wenig mehr als blickdichten Milchglasscheiben und ein paar Tischen und Stühlen. Grauschwarze Mauern stehen auf der Bühne, halb Irrgarten, halb Grenzbefestigungen, aber sie halten niemanden von Verbrechen ab.
Rigoletto, herausragend gespielt und gesungen von Bariton Federico Longhi, sieht aus wie "Joker", der gerade in den Kinos wieder sein Unwesen treibt, also mit dicker weißer Schminke im Gesicht. Zufall, sagt Markus Trabusch, beim Regiekonzept war nicht absehbar, dass ein böser Film-Clown zeitgleich für Furore sorgt. Nachdem seine Tochter entführt und geschändet wird, verwandelt sich Rigoletto äußerlich in eine Echse, schnallt sich eine Art Krokodilschwanz um den Leib und sorgt für Angst und Schrecken. Dabei wird er hier nie wirklich zu einem emotionalen Monster, ganz im Gegenteil, er bleibt verletztlich, fürsorglich, verzweifelt. Ein sehr überzeugendes Rollenporträt, weit jenseits vom Spektakel in Bregenz, wo das Stück in diesem und im kommenden Jahr ja ebenfalls auf dem Spielplan steht.
Federico Longhi (Rigoletto). | Bildquelle: Nik Schölzel / Mainfranken Theater Würzburg Den Herzog porträtiert Trabusch als unersättlichen, aber dabei zutiefst verunsicherten Frauenhelden, der mit seinen leichten Eroberungen nur seine Schwächen kompensiert. Entsprechend gern gibt er sich den Drogen hin. Gilda ist für ihn nur eine Wunschfigur, ein Avatar wie aus dem Internet, weshalb er ihr gleich eine Art Kimono schenkt, damit sie auch wirklich aussieht wie eine japanische Geisha, also eine idealisierte, devote Gespielin. Die Sopranistin Akiho Tsujii aus Osaka spielt sie mit Feuer und Flamme, aber nie zappelig oder pathetisch, sondern mit viel Ernsthaftigkeit.
Der Würzburger Chor, der bekannt ist für sein glaubwürdiges, realistisches Spiel, bewies einmal mehr seine Qualität, seine Beweglichkeit und sein Engagement. Insgesamt waren die stehenden Ovationen für diesen "Rigoletto" also durchaus berechtigt.
Sendung: Allegro am 14. Oktober 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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