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Kritik - Villazóns "Don Pasquale" in Düsseldorf Altbacken aber mit Tempo

Er zeichnet, er schreibt - gerade ist er auf Lesetour für seinen zweiten Roman "Lebenskünstler" - er moderiert oder tritt in Talkshows auf. Seit 2011 ist der mexikanische Startenor Rolando Villazón auch Opern-Regisseur. Am 29. April inszenierte er in Düsseldorf erstmals Donizettis "Don Pasquale". Und das Publikum amüsierte sich köstlich.

Bildquelle: Thilo Beu

Kritik zum Anhören

Alles beginnt in einem verstaubten Atelier mit alten Schinken in Goldrahmen auf der Staffelei: Mona Lisa, Venus nackt, liegend, sitzend. Kunstmäzen Don Pasquale, in rotbraunem Samtanzug, hat zwar "Rücken" - er greift sich immer wieder schmerzvoll ans Gesäß - will aber jung und frisch heiraten. Dottore Malatesta mit Nerdbrille und grauem Anzug, eine Mischung aus Harry Potter und Hollywood-Regisseur, ist behilflich - mit Pillchen, Fieberthermometer und virtuosem Stethoskop-Einsatz. Aber vor allem denkt er an seinen besten Freund Ernesto. Der Neffe von Don Pasquale liebt die Witwe Norina. Beide sind arm, deswegen können sie nicht heiraten. Also muss Dottore Malatesta Don Pasquale von seinen Eheplänen kurieren, damit Ernesto erbt. Das ist der Plot der Opera buffa.

Mit Ponchos und Hare Krishna-Gewändern

Rolando Villazón | Bildquelle: Monika Hoefler Startenor und Regisseur Rolando Villazón | Bildquelle: Monika Hoefler

Aber bevor die nötige Intrige einer höllischen Scheinehe greift, hat der liebende Tenor Ernesto ganz schön unter seinem Onkel zu leiden. Das sorgt für gefühlige Töne in der recht turbulenten Komödie. Regisseur Rolando Villazón lässt ihr herrlich freien Lauf - ohne Brechung, ohne Hemmung, serviert mit überbordender Situationskomik und Running Gags: Da ist eine handliche Venusstatue, die zerbricht und wieder geklebt wird. Eine frei erfundene Kunsthändlerin schleppt wiederholt einen Security-Mitarbeiter in die Besenkammer ab. Die Bar-Kulisse im zweiten Akt hat Johannes Leiacker frei nach Edward Hoppers berühmtem Nighthawks-Bild gemalt. Davor eine Gesellschaft, wohl mit dem gesammelten Fundus ausstaffiert: Miniröcke, Mexikanerponchos und orangefarbene Hare Krishna-Outfits. Ein Schein-Notar raucht Tütchen und hebt Zeige- und Mittelfinger zum Peace-Zeichen. Später tippt er im Schneidersitz den Ehekontrakt.

Altbacken und kindisch in Designer-Robe

"Don Pasquale" an der Deutschen Oper am Rhein | Bildquelle: Thilo Beu Elena Sancho Pereg (Norina), Ioan Hotea (Ernesto) | Bildquelle: Thilo Beu

Elena Sancho Pereg mit Pretty Woman-Appeal läuft stimmlich zur Hochform auf und glänzt in hinreißender Garderobe - so wie einst Hubert de Givenchy für Audrey Hepburn, hat jetzt Modedesigner Thibault Vancraenenbroeck eigens für die spanische Sopranistin geschneidert. Wie Bühnenmann Leiacker ist er ein bewährter Regie-Mitstreiter Villazóns. Doch der modische Look bleibt Kulisse. Damenhaftes Anlegen der Arme mit ausgestellten Handflächen und X-Bein Knicks, oder auch Norina, die vom Dottore zum Eheaufstand mobilisiert wird, wirken altbacken komisch. Das Liebesgeplänkel von Norina und Ernesto mit Anfangsbuchstaben auf Plakaten sind ebenso kindisch wie das Aufeinander-Zuruckeln auf einer Parkbank.

Sehen Sie hier die Bilder zur Produktion.

Mit Agilität und Tempo zum Publikumshit

Warum diese Opera buffa seit ihrer Uraufführung 1843 in Paris ein Publikumsrenner ist, teilt sich dennoch in Düsseldorf mit. Villazón bedient bei allem Klamauk die Agilität und das Tempo der Musik, die die Düsseldorfer Sinfoniker unter Nicholas Carter aus dem Graben liefern. Die Sänger spielen begeistert mit. Lucio Gallo als Pasquale und der erst tags zuvor eingesprungene Mario Cassi als Malatesta sind zudem ein kongeniales Duo. Ihr Rache-Parlando-Duett - der eine ernst, der andere steigt zum Schein ein - gelingt grandios und bekommt Szenenapplaus. Dennoch, eine Tiefe gewinnt das Ganze zu keinem Zeitpunkt. Hinterfragt werden die von Donizetti auf die Schippe genommenen Männerbilder nicht. Zum Schluss steckt der gesamte Männerchor im Andy Warhol-Outfit, die Damen sind als Mona Lisa verkleidet. Dem Publikum gefällt's: tosender Applaus für die Sänger und stehende Ovationen für Villazón.

Sendung: "Allegro" am 2. Mai 2017, 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Donnerstag, 04.Mai, 01:10 Uhr

Christian Kolberg

Da sieht man,dass die Kritiker oft am Publikumsgeschmack vorbei reiten,diesem muss es gefallen, denn es hält mit seinem Eintrittsgeld die Bühne am Leben. Oft stehen Opernbesuche an, bei denen mann/Frau die Augen schliesst ,um der Musik zu lauschen, weil die Inszenierung grottig ist,aber Orchester und Sänger toll, der Kritiker sieht's dann meist anders...

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