Stimme und Klavier – so sehen Liederabende normalerweise aus. Nicht bei Diana Damrau, die sich seit Jahren immer wieder mit dem französischen Harfenisten Xavier de Maistre zusammentut. Mit ihren ausgeklügelten Programmen schicken die beiden das Publikum immer wieder auf faszinierende Reisen – bei den Salzburger Festspielen dieses Jahr nach Frankreich. Zwei Magier in bestechender Form.
Bildquelle: Marco Borrelli
Vier Schubert-Lieder stehen am Beginn dieses Abends. Erst beim dritten gestattet sich Diana Damrau ein erstes Pianissimo in der Stratosphäre. Vorher überwältigt sie uns mit ihrem üppigen, etwas nachgedunkelten Sopran, der schöner, runder, satter klingt denn je. Nach Schubert fängt sie an, auf Französisch zu zaubern, zu flüstern, zu kokettieren, zu flirten. Kurz zuvor hat Xavier de Maistre das Haus mit einem Impromptu von Gabriel Fauré gefüllt. Mit unzähligen dynamischen Schattierungen, einem Feuerwerk an Arpeggien, Glissandi und zart gewebten Läufen – verschwenderisch gestreute musikalische Rosenblüten.
Diana Damrau nimmt, mit fünf Liedern von Fauré, diese Stimmung auf – und der Saal beginnt sich zu verwandeln. In einen mondbeglänzten nächtlichen Park. In Schauplätze, in denen Abschied genommen, gelitten und geträumt wird. Und die beiden Künstler auf dem Podium spinnen uns ein in diese Sommerwelt von Schönheit und Melancholie, Frieden und Trauer. Und tragen einander im abschließenden "Notre amour" in immer lichtere Höhen einer ewigen Liebe.
Das Wunder setzt sich nach der Pause fort – mit Claude Debussy. Besternte Nächte, blaue Kornblumen und goldene Ähren. Man riecht und schmeckt diesen französischen Sommer. Und sofort möchte man Liederabende nur noch mit Harfe akzeptieren. Gefangengenommen von diesen schwebenden Klängen, die aus dem Nichts kommen, die glitzernde Farbtupfer setzen, die Stimme untermalen, kurz aufrauschen und sich wieder verflüchtigen. Debussy hat die Harfe als Transportmittel geschätzt – für sein Ideal einer verrätselten Musik, die die Mittel, durch die sie erzeugt wird, nicht preisgibt. Dass das Salzburger Publikum diese Rätselspielchen goutiert, ist unschwer an den Reaktionen abzulesen: Da wird verzückt geseufzt, wenn die Sopranistin und der Harfenist die Liedschlüsse endlos dehnen, bevor sie sie aushauchen lassen. Und erst dann folgt donnernder Applaus.
Fast unmerklich ändert sich mit dem letzten Liedblock der Ton: Gioacchino Rossini holt uns zurück, zuerst mit dem sanften, aber doch sehr opernhaften Schmerz der Desdemona. Schließlich bekommen wir mit vier eher humoristischen Salonstücken des Italieners wieder Bodenhaftung. Was für eine Reise! Was für ein Abend! Und niemand hat das Klavier vermisst.
Sendung: "Allegro" am 24. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Donnerstag, 25.August, 09:09 Uhr
Prof. Heindl -Russ
Lieder ohne Tasten
Ein Abend der verzaubert hat, Musik und Kunst in Reinkultur!!!