2015 gewann Seong-Jin Cho den Chopin-Wettbewerb. Seitdem wird der er auf der ganzen Welt als Pianist gefeiert. Vor allem aber in seiner Heimat Südkorea. Am 16. November 2024 gibt der Pianist mit dem BRSO unter Simon Rattle ein Benefizkonzert in München. Vor seinem Auftritt hat er mit BR-KLASSIK gesprochen.
BR-KLASSIK: Seong-Jin Cho, Sie haben einen glasklaren, kristallinen Klavierklang. Schon 2015 haben Sie damit beim Chopin-Wettbewerb das Publikum verzaubert. Wie arbeitet man als Pianist am Klang? Ist das eine Frage der Technik oder der inneren Vorstellung?
Seong-Jin Cho: Beides. So wie jeder Mensch seine ganz eigene Stimme hat, hat auch jeder Musiker seinen ganz eigenen Klang. Tatsächlich habe ich gar nicht an der Klarheit des Klanges gearbeitet, das hat sich ganz natürlich ergeben. Mein Ziel ist, den Klang immer weiter zu entwickeln. Es ist anstrengend und braucht natürlich auch Technik.
BR-KLASSIK: Können Sie diese Anstrengung beschreiben? Worin liegt die Herausforderung?
Seong-Jin Cho: Wenn ich übe, zum Beispiel dieses Brahms Konzert, dann habe ich da eine Ideale Klang- Vorstellung in meinem Kopf. Die möchte ich aus dem Klavier herausholen. Für mich ist es wichtig, dass der Klang in diesem Brahmskonzert die Menschen umarmt, ganz warm und tief klingt.
BR-KLASSIK: Es ist ein sehr schwieriges Werk, technisch sehr anspruchsvoll. Alfred Brendel sprach von den "unüberbotenen, pianistischen Perversionen des zweiten Konzertes". Wie fühlt es sich an, das zu spielen?
Seong-Jin Cho: Ja, stimmt, das Stück ist technisch sehr herausfordernd. Aber wenn ich es aufführe, vergesse ich die Technik vollständig, weil die Musik einfach großartig ist! Das zweite Klavierkonzert von Johannes Brahms ist eines meiner Lieblings-Konzerte. Meine Top Three sind das vierte Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven, von Brahms das zweite und von Prokofjew auch das zweite.
BR-KLASSIK: Wenn Sie es mehrmals hintereinander spielen, bleiben Sie bei einer Interpretation oder verändern Sie sie immer wieder?
BR-KLASSIK: Sir Simon Rattle, unter dessen Leitung Sie heute spielen, nennt Sie einen "Poeten am Klavier": Fühlen Sie sich auch so?
Seong-Jin Cho: Oh, dazu kann ich gar nichts sagen, aber es ehrt mich, dass Sir Simon Rattle das gesagt hat.
BR-KLASSIK: Haben Sie einen Bezug zur Poesie? Lesen Sie gern Gedichte?
Seong-Jin Cho: Ich habe französische Poesie gelesen, als ich in Paris gelebt habe. Aber sie ist schwer zu verstehen. Das ist ja das Spezielle an Poesie, es gibt so viele Arten, die Gedichte zu interpretieren.
BR-KLASSIK: Sprache ist das eine, Musik das andere: Sehen Sie Musik auch als eine Art des Erzählens, der Kommunikation?
Seong-Jin Cho: Ja, das ist sie. Ich komme ja aus Korea und fühle mich auch sehr koreanisch, auch wenn ich jetzt schon seit 2012 hier in Europa lebe. Aber sobald ich mich ans Klavier setze und ein Konzert beginne, vergesse ich komplett, dass ich Koreaner bin. Musik ist wirklich eine universelle Sprache.
BR-KLASSIK: Worin besteht das Koreanisch Sein? Wo fühlen Sie die Unterschiede zur europäischen Kultur?
Seong-Jin Cho: Oh, das sind ganz viele Dinge. Allgemein würde ich sagen: Asiaten sind introvertierter als Europäerinnen und Europäer. Außerdem bemühen Sie sich immer, freundlich zu sein. Sie zeigen nicht so gern ihre Gefühle. Ich bin auch so. Und dann natürlich das Essen. Ich liebe koreanisches Essen. Immer, wenn ich nach Korea komme, fühle ich mich wohl, einfach, weil ich dort geboren wurde und immerhin 18 Jahre dort gelebt habe.
BR-KLASSIK: Sie reisen jetzt mit unserem BRSO unter Leitung seines Chefdirigenten Simon Rattle nach Korea: Was ist das für ein Gefühl, dort mit dem BRSO aufzutreten?
BR-KLASSIK: Beim Konzert in Ihrer Heimatstadt Seoul werden dann Ihre Freunde und Ihre Familie im Publikum sitzen?
Seong-Jin Cho: Ja, aber wir sind leider nur ganz kurz in Korea, weil wir direkt weiterreisen nach Japan und Taiwan gleich nach den Aufführungen. Es sind nur vier Tage.
BR-KLASSIK: Werden Sie dann unseren BRSO- Musikerinnen und Musikern Tipps geben, wo sie unbedingt hin gehen sollten?
Seong-Jin Cho: Ja klar, da braucht sich niemand zu sorgen. Seoul ist eine sehr dynamische Stadt, vielleicht nicht gerade die schönste und ästhetischste, aber sehr lebendig. Ich finde Seoul ähnelt Berlin. Über Paris könnte man sagen, dass es ästhetisch ansprechender ist als Berlin. Aber in Berlin ist eine Menge los – genauso ist es in Seoul. Erstaunlich ist, dass das Publikum in Korea sehr jung ist - viel jünger als das europäische und wohl auch das amerikanische.
BR-KLASSIK: Wie erklären Sie sich das?
Seong-Jin Cho: Ich glaube, koreanische Menschen sind grundsätzlich aufgeschlossen. Sie denken nicht, dass Klassik nur etwas für alte Leute ist. Sie sind einfach neugierig, das zu erleben. Deshalb ist das Publikum in Korea jünger als hier in Europa.
BR-KLASSIK: Inzwischen leben Sie in Berlin. Was hat Sie hierhergelockt?
BR-KLASSIK: Sie sind in dieser Saison 2024/25 "Artist in residence" bei den Berliner Philharmonikern …
Seong-Jin Cho: Ja, das ist sehr angenehm für mich, denn die Philharmonie in Berlin ist nur 10 Minuten weg von meinem Zuhause und ich habe viele, gute Freunde im Orchester. Wann immer ich mit den Berlinern musiziere, fühle ich mich, als würde ich einfach mit Freunden spielen.
BR-KLASSIK: Sie wirken auf der Bühne entspannt. Erleben Sie die Bühne als eine Art Komfortzone?
Seong-Jin Cho: Ehrlich gesagt bin ich immer, wenn ich mit einem Orchester ein Konzert gebe, ganz schön nervös. Aber andererseits fühle ich mich auf der Bühne irgendwie frei, bin da nicht so in mich gekehrt wie sonst.
BR-KLASSIK: Das heutige Konzert ist ein Benefizkonzert für "Gute Werke" der Süddeutschen Zeitung. Was bedeutet es Ihnen, hier mitzuwirken?
Seong-Jin Cho: Ich finde das sehr wichtig. Es ist essenziell. Ich freue mich, dass ich dabei sein kann. Ich habe das auch 2018 schon mal gemacht mit Maestro Jansons. Ich habe immer den Wunsch, Menschen zu helfen, aber weiß oft nicht, wie? Deswegen finde ich es großartig, dass ich auf diese Weise, durch Musik, etwas beitragen kann. Das ist eine Ehre.
Das "Benefizkonzert zu Gunsten SZ Gute Werke e.V." wird am 16. November 2024 live auf BR-KLASSIK übertragen. Ab 19:05 Uhr live aus der Isarphilharmonie in München.
Solist: Seong-Jin Cho, Klavier
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Dirigent: Sir Simon Rattle
Johannes Brahms: Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur; Sinfonie Nr. 2 D-Dur
Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 2 D-Dur
Sendung: "Piazza" am 16. Novermber 2024 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK