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Zum Tod des Jazz-Fotografen Sepp Werkmeister Scharfe Augen, wache Ohren

Seine Bilder hatten einen Sound: Josef Werkmeister, genannt Sepp, hatte zwei große Leidenschaften - Fotografieren und Jazz. Bilder, die der Münchner von Jazzlegenden machte, sind weltberühmt. Denn nur wenige Fotografen waren in der Lage, so viel musikalische Stimmung einzufangen wie er. Seine Methode: Erst zuhören, dann Auslöser drücken. Wie jetzt bekannt wurde, ist Josef Werkmeister am 11. November 2021 im Alter von 90 Jahren gestorben.

Fotograf Sepp Werkmeister | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

"Wir sind Eindringlinge", sagte Josef Werkmeister einmal: Fotografen hätten eine besondere Verantwortung. Werkmeister, der sich selbst lieber Sepp als Josef nannte, geboren 1931 in München, hat berühmte Fotos von Jazz-Weltstars wie Duke Ellington, John Coltrane, Louis Armstrong, Chet Baker, Sweet Emma Barrett und anderen gemacht. Fotos, die außergewöhnlich ausdrucksstark sind - und das nicht zuletzt, weil Werkmeister mit seiner Rolle als Eindringling besonders behutsam umging: Er war einer, der sehr lange beobachtete, bevor er den Auslöser drückte.

Der Betrieb war die Pflicht und das Fotografieren die Kür

Seine Fotos sind von einer großen Sensibilität des Blicks gekennzeichnet. Eines Blicks, der durch das Ohr besonders geschult ist. Erst dann klicken, wenn er gut zugehört hat: Das war seine Maxime. Seit seiner Jugend war Werkmeister Jazzfan. Er hatte sich intensiv mit dieser Musik auseinandergesetzt und über Jahrzehnte viele berühmte Musiker persönlich kennengelernt. Sepp Werkmeister, der Fotografie, Grafik und den Beruf des Schriftsetzers gelernt hatte, musste aber nie vom Fotografieren leben. Von 1954 an leitete er lange Zeit eine Firma: einen grafischen Betrieb, spezialisiert auf Satz und Montage, der Druckvorstufen für Zeitschriften herstellte. Dazu gehörten etwa die Illustrierte "Quick" und später auch die Musikzeitschrift "Rolling Stone". Damit verdiente er Geld - der Betrieb war die Pflicht und das Fotografieren die Kür.

In diese Kür investierte er viel Lebenszeit und etliche Reisen. Werkmeister freundete sich in den 1950er Jahren mit Joachim-Ernst Berendt an, der damals Redakteur des Südwestfunks war und vor allem als Autor des in viele Sprachen übersetzten "Jazzbuchs" berühmt wurde. Beide arbeiteten immer wieder zusammen und reisten regelmäßig nach New York, um die Musikszene zu erkunden. Aus den Bildern, die Sepp Werkmeister in New York auf der Straße machte, entstand eine vielbeachtete Ausstellung, die 2015 im Stadtmuseum München zu sehen war: "New York 60s". Weitere Ausstellungen fanden in den letzten Jahren in Rosenheim, aber auch in Paris und Mailand statt: Über einen Mangel an Aktivität konnte er nicht klagen.

Ein gutes Porträt ist eines der schwierigsten Dinge überhaupt in diesem Metier.
Jazz-Fotograf Sepp Werkmeister

Der Katalog zur Münchner Ausstellung zitierte Sepp Werkmeister mit den Sätzen: "Ich habe bemerkt, dass ich gut sehe. Und mir wurde klar, dass mich vor allem der Mensch interessierte. Landschaften schon auch. Wenn es aber gelingt, eine 'menschliche Landschaft' zu erwischen, dann ist das wirkliches Glück. Denn ein gutes Porträt ist eines der schwierigsten Dinge überhaupt in diesem Metier."

Gelebter Jazz in der Fotografie

Die Jazz-Fotos Sepp Werkmeisters zeigen menschliche Landschaften in besonderer Intensität. Sie sind nicht nur dekorative Abbilder von Gesichtern, sondern sie dringen in den Charakter dieser Gesichter vor. Sie sind miterlebter, ja mitgelebter Jazz. Sie sind selbst Musik und haben einen ganz starken eigenen Sound. Besonders bekannt wurden Fotos wie sein Porträt des Saxophonisten John Coltrane, der völlig in sich versunken in die Ferne blickt und dabei eine fast magische Energie ausstrahlt - oder auch Werkmeisters Aufnahme des qualmenden Pianisten und Big-Band-Leaders Duke Ellington mit nach oben gerichtetem Blick, riesigen Tränensäcken und einem Ausdruck von ungemein intensiver Nachtstimmung; ein Bild, bei dem man Ellingtons Töne zu hören glaubt. Ellington selbst kaufte Werkmeister damals eine größere Menge an Abzügen eines seiner Porträts ab.

Schon als Jugendlicher war Sepp Werkmeister vom Fotografieren fasziniert. 1945 traf er mit einem ehemaligen Kriegsberichterstatter zusammen, der ihn mit einer Leica vertraut machte. Ebenfalls in der Jugend war er durch Schellackplatten seines älteren Bruders mit dem Jazz in Berührung gekommen. Er lernte später auch, Kornett zu spielen, fand aber schließlich, dass er dafür zu wenig talentiert sei ("Da wurde die Familie zu sehr belästigt"), und tauschte das Instrument gegen eine Kamera: eine Ikoflex, einen jener hochkant stehenden, quaderförmigen schwarzen Kästen, in die man von oben hineinschaut. Da fing er an, Gesichter zu studieren. Das prägte seine Bilder bis zuletzt. Nach eingehender Beschäftigung mit der Fotografie ging ihm auf, dass er "gute Augen" habe. Als er dann den großen Saxophonisten Coleman Hawkins vor die Kamera bekam, sei das wie eine Initialzündung für ihn gewesen. Seine Erkenntnis: "Eigentlich möchte ich nicht Musiker werden, sondern Musiker fotografieren."

Hey Joe, give me your camera.
Dizzy Gillespie zu Sepp Werkmeister

Weshalb sind diese Bilder oft so fesselnd, so voller Atmosphäre? Im ersten Set eines Jazzkonzerts fotografierte Sepp Werkmeister meist überhaupt nicht. Da hörte er zu, sammelte Eindrücke. Und wartete so lange, bis die Musiker völlig in ihre Töne vertieft sind. Er habe oft bei den Berliner Jazztagen erlebt, dass Fotografen anrücken, als zögen sie in den Krieg. Auf diese Art wolle er nicht in Situationen einbrechen - vor allem, seit ihm in frühen Jahren der Trompeter Dizzy Gillespie einmal im Münchner "Domicile" eine Lehre erteilte: Da war Sepp Werkmeister ganz nah an den Musiker herangegangen, mit der Kamera fast auf Berührungskurs mit der Trompete. Da habe Dizzy zu ihm gesagt: "Hey Joe, give me your camera." Sepp tat, wie ihm geheißen, und Gillespie machte eine Show daraus, seinerseits den Fotografen zu fotografieren. Aus nächster Nähe und in aller Ruhe - und eben vor aller Augen. Später in der Garderobe habe der Musiker zu Werkmeister gesagt: "Jetzt weißt du mal, wie es mir jeden Tag geht".

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