Er ist "der Neue" und die Erwartungen sind riesig: Der Belgier Serge Dorny tritt die Nachfolge von Nikolaus Bachler als Intendant der Bayerischen Staatsoper an. Welche Stücke gehören auf die Bühne? Was müssen Sängerinnen und Sänger mitbringen? Und was darf sich die Regie herausnehmen? BR-KLASSIK-Redakteur Bernhard Neuhoff hat sich im leeren Nationaltheater mit dem neuen Hausherrn zum Interview getroffen.
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Videointerview
Serge Dorny - der neue Intendant an der Bayerischen Staatsoper
Sein Vater war bei der Armee und wollte, dass der Junge was Anständiges lernt. Ingenieur sollte er werden. Schließlich war Serge immer gut in Mathe. Gut rechnen können muss ein Intendant auch – vor allem aber für die Kunst brennen. Von seinem Traum, sein ganzes Leben der Musik zu widmen, ließ sich Serge Dorny, geboren 1962 im belgischen Wevelgem, nie abbringen. Der Widerstand der Eltern gab ihm eher zusätzliche Kraft. Architektur, Kunstgeschichte, Archäologie, Komposition und Musikanalyse hat er studiert. Wirklich komponiert habe er nur ein einziges Stück, erzählt er lachend, den Rest habe er lieber in der Schublade gelassen.
Will zusammen mit Dirigent Vladimir Jurowski die Bayerische Staatsoper in die Zukunft führen: Neu-Intendant Serge Dorny im BR-KLASSIK-Interview. | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk 2021
Sein eigentliches Handwerk ist: nicht selbst Kunst machen, sondern anderen Räume eröffnen. Gelernt hat er dieses Handwerk bei Intendantenlegende Gérard Mortier. Der war noch Chef der Oper La Monnaie in Brüssel, als Dorny 1983 dort anheuerte. Später wurde sein Lehrmeister zum visionären Erneuerer der Salzburger Festspiele und zum Mitgründer der Ruhrtriennale.
Doch während Mortier ein Revolutionär war, der sich gern auch mal öffentlich mit seinen Gegnern anlegte, ist Dorny eher ein diplomatischer Typ. Leute ins Boot holen, das ist seine Stärke. In Lyon, wo Dorny von 2003 an Intendant war, hat er es geschafft, das Publikum massiv zu verjüngen. Der Anteil der Abonnenten sank massiv, doch das Stammpublikum blieb. Die Auslastung stieg deutlich. Mit seinem gemäßigt modernen Regiestil und ausgeprägtem Mut bei der Auswahl der Stücke gelang es Dorny, auch Opernfans aus Paris anzulocken.
Der Diplomat Dorny weiß allerdings sehr genau, was er will. In Dresden, wo er bereits als Intendant unterschrieben hatte, kam es 2014 noch vor Beginn der eigentlichen Amtszeit zum Konflikt mit Christian Thielemann, dem Generalmusikdirektor der Staatskapelle. Die sächsische Staatsministerin entschied sich für den schwierigen Pultstar und löste den Vertrag mit Dorny. Der klagte gegen den Freistaat Sachsen auf Entschädigung – und bekam Recht.
Ob er Thielemann, der sich dies jüngst öffentlich wünschte, auch mal an die Bayerische Staatsoper einladen würde? Dorny lacht etwas gequält und sagt, als Dirigenten habe er ihn ja immer bewundert, also warum nicht… Klar ist: Entscheidend für den Erfolg seiner Intendanz ist die Zusammenarbeit mit "seinem" Generalmusikdirektor. Vladimir Jurowski kennt Dorny noch aus seiner Zeit als Generaldirektor beim London Philharmonic Orchestra. Damals machten die beiden auch gemeinsam Oper beim Glyndebourne Festival. Er und Jurowski seien beide "Eklektiker" – sprich: Menschen mit unbegrenzter Neugier.
Umstrittene Themen, zu denen sich ein Intendant positionieren muss, gibt es genug. Sollen immer dieselben Stücke gespielt werden? Müssen Opernsängerinnen und -sänger schlank sein und gut aussehen? Kommt es nicht vielmehr auf die Stimme an? Und können Skandale manchmal eine positive Wirkung haben? Antworten gibt Serge Dorny im Videointerview.
Sendung: "Leporello" am 14. September 2021 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
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