Kristina Mkhitaryan ist unkompliziert, flexibel und strahlt eine sympathische Fröhlichkeit aus. Keine Allüren, kein Diva-Getue. Dabei könnte sie die Nase hochtragen, denn ihre warme, voluminöse und weitläufige Stimme ist heiß begehrt. An der Metropolitan Opera in New York ist die 37-Jährige Dauergast, an der Wiener Staatsoper ebenso, auch an der Bayerischen Staatsoper hat sie schon gesungen. Geboren wurde die Sopranistin in Südrussland am schwarzen Meer, ging dann zum Studium nach Moskau. Am Sonntag ist sie mit dem Münchner Rundfunkorchester live auf BR-KLASSIK zu erleben.
Bildquelle: Diana Guledani
BR-KLASSIK: Sie übernehmen zwei Rollen: Im ersten Teil die Semfira in "Aleko" und dann Francesca in "Francesca da Rimini". Einmal mit dem Text von Puschkin, die andere Oper geht auf einen Ausschnitt aus Dantes "Göttlicher Komödie" zurück. Welche Rolle liegt Ihnen mehr am Herzen?
Kristina Mkhitaryan: Ich fühle mich Francesca viel näher. Das liegt vielleicht am Frauentyp. Eigentlich haben wir es ja in den beiden Opern mit zwei liebenden Frauen zu tun. Aber: die lieben ganz unterschiedlich. Semfira liebt die Freiheit, sie ist ziemlich heißblütig, jung und schön. Sie kann nicht nur einen einzigen Mann lieben, sie will mehr. Und Francesca liebt nur einen Mann und nur den. Francesca geht es also um wahre, um die reine Liebe.
BR-KLASSIK: Wo ist denn der Hauptunterschied, wenn Sie eine Violetta in Verdis "La Traviata" singen, oder eben diese beiden Rachmaninow-Frauen?
Kristina Mkhitaryan: Das macht für mich keinen Unterschied. Rachmaninow schreibt so wunderbar für die Stimme. Es ist fast bequem zu singen. Und technisch besteht zwischen "La Traviata" und einer Oper wie "Aleko" auch kein Unterschied. Rachmaninow verlangt enorme Höhe vom Sopran und genauso eine Tiefe. Und natürlich eine solide, voluminöse Mittellage. Ich fühle mich da genauso wohl wie als Violetta. Ich habe mich komplett in die beiden Figuren verliebt.
BR-KLASSIK: Als ich bei einer Chorprobe war, hat mich vor allem das Pianissimo begeistert. Es gibt Stellen, die sind richtig gespenstisch leise. Ist das auch bei Ihrer Rolle so, dass Sie ausgesprochen leise singen müssen?
Kristina Mkhitaryan: Absolut. Das ist das Allerwichtigste an meiner Rolle, diese dynamischen Unterschiede. Und da muss oder kann ich wieder auf Violetta zurückgreifen. Verdi verwendet an einer Stelle genau dieselbe hohe Note im Pianissimo wie Rachmaninow. Ich weiß also ganz genau, wie ich die zu nehmen habe.
BR-KLASSIK: Was ist an den Opern "russisch"? Gibts da eine russische Melancholie?
Kristina Mkhitaryan: Die sind absolut russisch. Für mich schlägt in den beiden Stücken ein russisch-romantisches Herz. "Aleko" geht sogar noch einen Schritt weiter. Das Stück spielt in einer romantisierten Sinti-und-Roma-Welt, Puschkin hat die beschrieben. Und da geht's auch viel um Leidenschaften von Frauen, auch um Sexualität von Frauen, oder sagen wir mal, von einer Frau, eben dieser jungen Semfira. Da ist nicht nur Melancholie, sondern wir erfahren alles über die Liebe.
Kristina Mkhitaryan: BR-KLASSIK überträgt das Konzert mit Kristina Mkhitaryan und dem Münchner Rundfunkorchester live ab 19.00 Uhr im Radio, anschließend steht es auf br-klassik.de 30 Tage zum Abruf zur Verfügung.
BR-KLASSIK: Diese beiden Opern werden konzertant aufgeführt. Wie denken Sie sich da rein? Haben Sie Bilder im Kopf von der ganzen Szenerie?
Kristina Mkhitaryan: Ja, ich stelle mir sehr viel vor. Wie die Landschaft wohl aussehen könnte, die Hölle. Ich habe da als Inspiration ein tolles Orchester an der Seite und einen Chor mit wunderbar singenden Kollegen. Und ich sehe auch, was für einen großen Spaß alle daran haben, diese fantastische Musik zu spielen und zu singen. Das gibt eine richtig gute Energie.
Rachmaninow schreibt so wunderbar für die Stimme.
BR-KLASSIK: Was glauben Sie denn, warum diese Opern nie ins Repertoire gerutscht sind und nicht an ganz vielen Opernhäusern gespielt werden?
Kristina Mkhitaryan: Ich weiß es nicht. Nicht mal in Russland sind sie besonders bekannt. Dabei könnte man die Opern so fantasievoll auf der Bühne darstellen. Gerade, weil es eben um zwei komplett unterschiedliche Auffassungen von Liebe geht.
BR-KLASSIK: Kommen wir noch einmal auf die Oper "Francesca da Rimini": Die spielt in einer "höllischen Umgebung". Gibt das Ende Hoffnung oder gehen wir alle ganz traurig nachhause?
Kristina Mkhitaryan: Die Liebe wird zwar nicht real, aber es scheint mir so, dass das Liebespaar seine Liebe in einer anderen Welt irgendwo irgendwie erleben kann. Also für mich liegt das Happy End in der fantastischen Musik von Rachmaninow. Ich würde die beiden Rollen am liebsten immer und immer wieder singen.
Konzerttermin
Sonntag, 28. Januar, 19.00 Uhr, Prinzregententheater München
Einführung um 18.00 Uhr im Gartensaal mit Julia Smilga
Programm
Sergej Rachmaninow – Aleko
Sergej Rachmaninow – Francesca da Rimini
Mitwirkende
ALEKO
Aleko Vladislav Sulimsky, Bariton
Junger Zigeuner Andrei Danilov, Tenor
Semfiras Vater Shavleg Armasi, Bass
Semfira Kristina Mkhitaryan, Sopran
Alte Zigeunerin Natalya Boeva, Mezzosopran
FRANCESCA DA RIMINI
Vergils Schatten Shavleg Armasi, Bass
Dante Dmitry Golovnin, Tenor
Lanceotto Malatesta Vladislav Sulimsky, Bariton
Francesca Kristina Mkhitaryan, Sopran
Paolo Andrei Danilov, Tenor
Chor des Bayerischen Rundfunks (Einstudierung: Stellario Fagone)
Münchner Rundfunkorchester
Leitung: Ivan Repušić
Weitere Informationen finden Sie hier.
Sendung: "Allegro" am 26. Januar 2024 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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