BR-KLASSIK

Musik und Kunst helfen der Seele. Ganz konkret zeigt sich das täglich in der Refugio Kunstwerkstatt in München. Dort können geflüchtete Kinder und Jugendliche an Workshops teilnehmen. Sie malen, fotografieren oder machen gemeinsam Musik und finden so Entspannung und einen Ausweg aus ihrem oft sehr engen Alltag. Sternstunden unterstützt dieses Projekt, über 100 Kinder konnten dadurch zusätzlich mit künstlerischen Angeboten erreicht werden.

Einmal im Monat findet im Kunstlabor 2 an der Dachauerstraße in München eine Jam Session statt. Ein schöner Raum im Souterrain ist das mit verschiedenen Instrumenten. In einer Ecke steht ein Schlagzeugset, verschiedene Verstärker, Gitarren und sogar ein großes, professionelles Marimbafon ist da. Eine Dauerleihgabe sei das und das "Prachtstück des Studios", erzählt Jakob Weiss. Er arbeitet als Kunstpädagoge in der Refugio Kunstwerkstatt. Geflüchtete Kinder und Jugendliche können hier herkommen, Musik machen, aber auch malen oder Fotografieren. Es gibt Gitarrenkurse, Fotospaziergänge durch die Stadt oder eben die Jam-Session.

Ein großer Schatz für die Kinder und Jugendlichen, die ihre Heimat oft unter katastrophalen Umständen verlassen mussten. Deren Leben hier ist einerseits von Sehnsucht nach der Heimat geprägt, andererseits von der Enge und der mangelnden Privatsphäre, die in den Unterkünften herrscht. Jakob Weiss von der Kunstwerkstatt stellt fest, dass "Selbstwirksamkeit und das Selbstvertrauen unheimlich wächst, einfach, wenn man einen eigenen Song produziert hat und anhören kann und dann auch Freunden und Freundinnen zeigen kann."

Alltag ausblenden - Fokus aufs Hier und Jetzt

Eins von vielen Projekten mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen der Refugio Kunstwerkstatt München | Bildquelle: Refugio Kunstwerkstatt München Aber nicht nur das Produzieren von eigenen Songs hat diesen Effekt. Der neunjährigen Samina gibt Malen Kraft und Halt. Vor allem malt sie Planten, und zwar in lila, ihrer Lieblingsfarbe. Genau um solche vermeintlichen Kleinigkeiten geht es hier. Für die Kinder sind sie wichtig, erzählt Jakob Weiss, "weil sie es in dem Moment schaffen, sich auf ein Bild zu konzentrieren und wirklich den Alltag mal ausblenden können und den Fokus auf das Hier und Jetzt liegt."

Vertrauen schaffen: Arbeit auch in den Unterkünften vor Ort

Seit 30 Jahren gibt es die Refugio Kunstwerkstatt, seit ein paar Jahren in den Räumlichkeiten an der Dachauerstraße. Doch die eigentliche Arbeit findet größtenteils in den Unterkünften für Geflüchtete selbst statt. 20 Unterkünfte in München und in wenigen Landkreisen werden dabei regelmäßig besucht.

Sechs Festangestellte und knapp 50 freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben dort Workshops für Kinder. Wichtig ist dabei: Die Refugio Kunstwerkstatt arbeitet nicht kunsttherapeutisch. Es geht nicht darum, die Traumata über die Kunst zu analysieren, sondern den Blick mittels der Kunst nach vorne, in die Gegenwart zu richten.

Das Projekt als Graffiti: Die Refugio Kunstwerkstatt München | Bildquelle: Refugio Kunstwerkstatt München Vertrauen schaffen, einen Ausweg aus dem anstrengenden Alltag bieten und ganz wichtig: Den Kindern Aufmerksamkeit schenken. Für die Jüngeren in den Unterkünften und für die Älteren, die selbstständig kommen können, in den Räumen im Kunstlabor. Für Verena Wilkesmann, Fachbereichsleiterin der Refugio Kunstwerkstat, auch ein wichtiger gesellschaftlicher Aspekt: "Das ist auch besonders schön für unsere Teilnehmenden: Wenn sie hierher kommen, sind sie auch Teil eines kulturellen Geschehens der Stadt."

Es ist beeindruckend, wieviel von den Jugendlichen zurückkommt und wieviel sie über die Kunst ausdrücken können. Ob etwa unbegleitete Jugendliche Flüchtlingen die Sehnsucht nach ihrer Mutter in Rap-Texte fassen oder Alla aus der Ukraine ihren selbstgeschriebenen Song gut produziert im Studio aufnimmt. Und es sind dann letztlich die ganz grundlegenden Bedürfnisse, die durch die Kunst und die Beschäftigung mit Kunst, etwa nach einem Fotospaziergang durch die Stadt, wieder gestillt werden, wie Verena Wilkesmann betont: "es ist immer wieder schön zu hören, wenn uns Jugendliche mitteilen, dass sie nach so einem Tag, an dem man wirklich lange unterwegs war, lange an der frischen Luft war, viele neue Eindrücke hatte, einfach in der Nacht zum ersten Mal seit langem wieder schlafen konnten."

Sendung: Allegro, 15.12.2023 ab 06:05 Uhr