Jahrzehntelang war Manfred Jung Heldentenor auf dem Grünen Hügel: In Bayreuth sang er den Siegfried, Mime und Parsifal. Jung - auch Ensemblemitglied an der Deutschen Oper am Rhein - war einer der gefragtesten Helfentenöre. Jetzt ist Jung im Alter von 76 Jahren gestorben. Ein Nachruf von Maximilan Maier.
Bildquelle: Bayreuther Festspiele
Er war einer der typischen "Bayreuth-Künstler", die - obwohl in der ganzen Welt erfolgreich - mit diesem Ort ganz besonders verbunden sind. Manfred Jung wurde berührt vom "genius loci" der Heimstätte des Wagnersgesangs. 28 Jahre hat der gebürtige Oberhauser dort gesungen: zuerst drei Jahre im Chor (1970 -73), dann als maßgeblicher Siegfried der späten 70er und 80er Jahre und schließlich im Charakterfach als Mime bis zum Ende seiner Karriere 1998. In drei unterschiedlichen Ringzyklen hat er auf dem grünen Hügel gesungen, neben der Leib- und Magenrolle Siegfried auch den Loge im Rheingold und Parsifal. Von Bayreuth aus öffneten sich ihm die Türen an die großen Opernhäuser der Welt, die alle nach den raren Heldentenören gierten.
Am Anfang sah es für Jung allerdings gar nicht nach einer Sängerlaufbahn aus. Obwohl schon immer musikbegeistert, entschloss er sich für einen handfesten Beruf, den des Elektroingenieurs. In Essen arbeitete er schließlich am Theater als Beleuchter. Als er eines Abends noch Zeit hatte, bis der nächste Zug nach Hause fuhr, setzte er sich im Studierzimmer ans Klavier, sang und wurde entdeckt.
Nach dem darauffolgenden Gesangsstudium an der Folkwang-Musikhochschule in Essen begann er seine Karriere als lyrischer Tenor 1968 an der Kammeroper Köln. Dann ging es über Dortmund und Kaiserslautern an die Deutsche Oper am Rhein, das Haus, dem er ab 1976 über viele Jahre treu bleiben sollte. Damals hörte ihn dann der berühmte Dirigent Eugen Jochum als Siegfried und empfahl ihn umgehend Wolfgang Wagner nach Bayreuth.
Dort übernahm Jung 1977 in einer Vorstellung den Parsifal sowie den "Jung-Siegfried" im legendären "Jahrhundertring" in der Regie von Patrice Chéreau und unter der Leitung von Pierre Boulez, der ihm ein guter Freund wurde. Später übernahm er auch den Siegfried in der Götterdämmerung.
Jung verfügte nicht über das baritonale Fundament, das dunkle Timbre früherer Heldentenöre. Seine Stimme wirkte im Kern eher lyrisch, wozu auch die schlanke Stimmführung passte. Doch in der Höhe mischte sich eine eherne Kraft in seine Stimme, die es Jung ermöglichte, die Wagnerschen Wahnsinnsspartien zu singen. Sich dazu gesellende Robustheit und Stehvermögen machten ihn zum weltweit gefragten Wagnertenor. Wolfgang Wagner, damals Leiter der Bayreuther Festspiele, betonte in einem Fernsehinterview, dass Sänger wie Jung für Opernhäuser und besonders Festivals "lebensnotwendig" seien. Er habe auch "auf der Matte gestanden", wenn er ausnahmsweise nicht ideal disponiert war. Ersatz hätte es wohl auch (so gut wie) nicht gegeben. Denn in den 80er Jahren waren Siegfriede, Tristane und Co. besonders rar gesät. René Kollo ausgenommen, war Jung in dieser Zeit konkurrenzlos.
Trotz Erfolgen an der MET, in Berlin, München, Wien, Zürich, Barcelona usw. blieb Manfred Jung immer auf dem Boden. Seine Echtheit und Natürlichkeit machten ihm beim Publikum, gerade an seinem Stammhaus in Düsseldorf/Duisburg, so beliebt. "Als Star habe ich mich nie gesehen", sagte der Tenor in einer TV-Doku: "Ich bin ein Rädchen in einem großen Werk. Bei Wagner braucht man sowieso alle Partien." Dieser Komponist blieb, auch als er später in seiner Karriere ins Charakterfach wechselte, das Zentrum seines Schaffens: "Die ständige Auseinandersetzung mit Wagners Werk ist eine Lebensaufgabe", betonte Jung.
Nach dem Ende seiner Karriere 1998 nahm sich Manfred Jung des Nachwuchses an, beispielsweise im Rahmen von Meisterkursen. Außerdem dirigierte er. Mit den Siegfrieden im "Jahrhundertring“, für die er 1982 sogar mit dem Grammy ausgezeichnet worden ist und die auch auf DVD erhältlich sind, hat er sich ein bleibendes Vermächtnis geschaffen.
Sendungsthema aus "Leporello" am 18. April 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Mittwoch, 19.April, 18:41 Uhr
Dr. Klaus Passian
Manfred Jung aus "Leporello" 18.4. auf BR-Klassik
......nahm er sich _des__ Nachwuchses an klingt besser !
Antwort von BR-KLASSIK: Vielen Dank für den Hinweis. In Sachen Sprachpflege sind wir ganz bei Ihnen und bemühen uns an Ihrer Seite um die Rettung vom Genitiv - äh - des Genitivs.
Dienstag, 18.April, 18:53 Uhr
Sonne
Ein Großer!
Nun ist er gegangen, der große Manfred Jung, auch wenn er sich als solcher nie gesehen hat. Sänger von solcher Demut gegenüber der Musik und von solcher künstlerischen Unbestechlichkeit gibt es heute nicht mehr. Jetzt kann er dem lieben Gott persönlich ins Ohr singen. Danke, Manfred Jung!