Alles beginnt mit einem Schuss, der sich im Streit aus einer Waffe löst. Marchese di Calatrava wird getötet, als er seine Tochter Leonora di Vargas überrascht, die gerade aus Rücksicht dem Vater gegenüber gezögert hat, mit ihrem Geliebten Don Alvaro zu fliehen. Was als Aufbruch in ein freies Leben gedacht war, endet in Verzweiflung und lebenslanger Flucht vor Leonoras Bruder. Mit "La Forza del destino" schuf Verdi ein radikales Werk. Das Theater Augsburg präsentierte am 24. März eine Neuinszenierung dieser Oper in der Regie von André Bücker.
Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr
Premierenkritik zum Anhören
Die Kontraste der Schauplätze, die Vielfalt der Stimmungen und Emotionen, sind in "Die Macht des Schicksals" so groß wie in keiner anderen Verdi-Oper. Rassismus, Standesdünkel, falsches Ehrgefühl und Rache verhindern eine menschliche Reaktion auf den Unfall mit der Waffe. Der Mörder des Vaters von Leonora, Alvaro, und sein Verfolger Don Carlo sind unfähig, einander zu verstehen. Sie wollen weder verzeihen noch weitere Einmischungen Fortunas akzeptieren, wie ihre beim Militärdienst zufällig entstandene Freundschaft. Erst dadurch wird ihr Schicksal unabänderlich und übermächtig. Verstärkt wird die ausweglose Situation der Hauptpersonen durch den Hintergrund von Macht, Gewalt, Kampf und Todesgefahr, vor dem die ganze Oper mit vielen Chorszenen spielt.
Plastikstühle und Porzellan-Dobermann
Bildquelle: © Jan-Pieter Fuhr Die szenische Umsetzung dieser Oper ist ob der vielen Zeit und Ortswechsel eine besondere Herausforderung. Intendant und Regisseur André Bücker verlegt die Handlung von den Kriegsschauplätzen der Renaissance (Italien und Spanien) ins lateinamerikanische Drogendealer-Milieu. Streckenweise wird die Oper zur Mafia Komödie, vermischt mit kolumbianischem Totentanz. Der fatale Tod des Vaters ist für Leonora ein Ur-Schock, der Albtraum einer entleerten Welt, wie Regisseur Bücker es sieht. Das ganze verrückte, bedrohliche und irritierende Universum spiegelt sich in Leonoras Zimmer und ihrem Kopf. Die Bühne ist während der ganzen Vorstellung ein geschmackloses, pinkfarbenes Zimmer, mit zitronengelben Barock-Plastikstühlen, viel Nippes und einem riesigen Porzellan-Dobermann. Rechts und links hängen zwei große Portraits der toten Eltern, die immer wieder als stumme Video-Projektion die Handlung kommentieren. Eros und Thanatos sind allgegenwärtig: die Liebe durch ein rotes Kingsize-Bett und der Tod als bewaffnete Frau in roten High-Heels.
Korrupter Geistlicher
Pater Guardiano als Vertreter der Kirche zeigt wenig Ethik und Menschlichkeit, sondern wird hier als korrupt und sexuell übergriffig interpretiert. Große Chorszenen, die der Opernchor mit Geschlossenheit präsentierte, stehen neben Balladen und lyrischen Arien. Intime Szenen bietet der Abend jedoch wenige, und die Personenregie ist etwas hölzern. Sally du Randt gibt mit melodischer und dramatischer Ausdruckskraft eine mehr naive als zupackende Leonora.
Musikalisch temperamentvoll, szenisch zäh
Die Männer hingegen dürfen präsent und aggressiv sein. Der Don Alvaro ist eine fordernde Tenor-Partie, in der Leonardo Gramegna seine Stimme immer mal wieder an die Grenzen treibt. Alejandro Marco-Buhrmester gibt scheinbar mühelos einen kernigen Don Carlo; souverän agiert Stanislav Segeev als Padre Guardiano. Generalmusikdirektor Domonkos Héja dirigiert Verdi temperamentvoll, temporeich und ohne dickes Pathos.
Trotz des vielen Latino-Brimboriums mit Kalaschnikows, Totenköpfen, Sombreros und Ponchos bleibt es szenisch insgesamt ein eher zäher Abend. Immerhin wurde im dritten Akt das Klarinettensolo nicht auch noch durch die Panflöte ersetzt.
"La forza del destino"
Oper von Giuseppe Verdi
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Musikalische Leitung: Domonkos Héja / Lancelot Fuhry
Inszenierung: André Bücker
Infos zu weiteren Terminen sowie zum Vorverkauf finden Sie auf der Homepage des Theaters Augsburg.
Sendung: "Leporello" am 26. März 2018, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK