Am 29. September hatte Alexander Müller-Elmaus Neuinszenierung von Wagners "Rheingold" am Landestheater Coburg Premiere – in der "Coburger Fassung" für reduziertes Orchester. Müller-Elmau überrumpelt den Zuschauer nicht mit einer eindeutigen Interpretation, sondern lässt Deutungsmöglichkeit offen. Das Ensemble überzeugt durch die Bank – sängerisch ebenso wie darstellerisch.
Bildquelle: Sebastian Buff
Mit dem Theater Coburg hatten die nur gut 60 Kilometer entfernten Bayreuther Festspiele schon immer eine enge Verbindung. Der Coburger Hoftheatermaler Max Brückner hatte zum Beispiel die Bühnenbilder für die Bayreuther Aufführungen in seinen Coburger Werkstätten hergestellt. In Coburg selbst ist Wagners Ring allerdings erst um die vorletzte Jahrhundertwende erstmals aufgeführt worden, aber die Bühnenbilder aus Bayreuth sind damals wohl übernommen worden.
Wagners "Rheingold" am Landestheater Coburg, Szenenfoto | Bildquelle: Sebastian Buff Natürlich passt das von Wagner vorgesehene 123 Mann starke Orchester nicht in den Coburger Orchestergraben, es gibt aber eine sogenannte Coburger Fassung für 40 Musiker, arrangiert vom Hofmusikdirektor Alfons Abbas, die dann in den 30er-Jahren noch einmal modifiziert wurde und in der auch Basstrompete und Wagnertuba zum Einsatz kommen. Diese Fassung ist für die aktuelle Coburger Produktion herangezogen worden. Richard Wagner hat übrigens – etwa für den "Tannhäuser" – solche auf 40 Mann reduzierte Fassungen durchaus autorisiert. Gerade Reduktionen bringen durchaus neue Hörerlebnisse. Gerade im "Rheingold" pulsiert die Musik immer wieder effektvoll dramatisch, hämmert, gräbt, ja swingt geradezu. Weniger betulicher Klangteppich, Sehnsuchtsklage oder Endzeitgeraune, sondern, wie es das Philharmonische Orchester in Coburg unter Roland Kluttig vorführt, lustvolle Theatermusik.
Dem im Verlauf der Aufführung auch immer mehr mitreißenden Orchester lässt die Inszenierung von Alexander Müller-Elmau viel Raum. Müller-Elmau überrumpelt den Zuschauer bei "Rheingold" nicht mit einer eindeutigen Interpretation, sondern lässt Deutungsmöglichkeit offen. Einerseits: Mythologische Götter, Riesen, Zwerge – in den Tiefen des Flusses oder oben in der Götterwelt spielt "Rheingold", doch gleichzeitig ist es andererseits auch ein Familientisch, in dem über Kapitalismus, Liebes- und Wohnprobleme philosophiert wird. Nur ein großer Tisch und Stühle wie in einer Schule bestimmen über längere Strecken die Bühne. Doch dann kommt von der Bühnendecke das Rheingold, ein großes goldenes Hirn.
Wagners "Rheingold" am Landestheater Coburg, Szenenfoto | Bildquelle: Sebastian Buff Julia Kaschlinski hat den mythologischen Figuren Alltagsgewänder, aber auch wie wenn es Figuren aus der Steinzeit wären, Pelze und Felle verpasst. Wotans Berater Loge trägt zum Beispiel zum schwarzes Sakko einen goldenen Rock. Auf dem Markplatz würde Loge vermutlich trotz seines Alltags-Sakkos auffallen: ein geschwätziger Entertainer und Besserwisser. Wotan hingegen ein leicht depressiver Intellektueller, freilich im auffälligen braunen Pelz – eben auch eine mythologische Figur. Die Rheintöchter sind zunächst in Vitrinen zu sehen. Denn es gibt – diskret angedeutet – noch eine weitere Ebene. Drei Besucher sind nämlich ebenfalls auf der ziemlich kargen Bühne, die das Geschehen wie in einem Museum als Zuschauer begutachten. Theater auf dem Theater. Eine Besucherin scheint auch die Göttin Erda zu sein, die als einzige ausschließlich im modernen Alltagsgewand, auch mit einer braunen Frauenhandtasche ausgerüstet, vor dem Ring warnt und ihre Meinung zu Weltenbrand und Apokalypse abgibt. Tatsächlich erscheint Wagners Mythologe, das Gebräu aus germanischer Mythologie und Schopenhauerscher Philosophie gar nicht so fern vom aktuellen intellektuellen Diskurs und theatralisch unterhaltsam. Beinahe ist man an eine Aufführung beim Dramatiker und Regisseur Rene Pollesch erinnert.
In der Coburger Fassung kommen vor allem die komödiantischen und sängerischen Qualitäten des Ensembles gut zur Geltung, es sind durchaus weiche Stimmen, etwa Simeon Esper als Loge, der auch als Entertainer überzeugt, vor allem auch Michael Lion als zögerlicher, aber dann doch bestimmter Ehemann, Martin Trepl – eigentlich aus dem Chor kommend, hat sich bravourös die Rolle Alberichs angeeignet, während sein Bruder Mime vom Buffo Dirk Mestmacher gesungen wird. Eine überzeugende Ensembleleistung, die niemanden zu überfordern scheint. Während die Rheintöchter in ihren Museumsvitrinen für das Unbewusste stehen, beleben Kora Pavelic als Ehefrau Fricka, Evelyn Krahe als Erda und Olga Shursina als begehrte Freia die Männergesellschaft von "Rheingold".
Dem Einzug in die neue Götterwohnung Walhalla steht also nun nichts mehr im Weg. Erst in drei Jahren wird es in Coburg die "Götterdämmerung" geben.
Informationen zu Terminen, Besetzung und Vorverkauf erhalten Sie auf der Homepage des Landestheaters Coburg.
Sendung: "Leporello" am 30. September 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (0)