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Buchtipp: Eleonore Büning – "Warum geht der Dirigent so oft zum Friseur?" Musikwissen straight und schnodderig

Eleonore Büning ist die elder Stateswoman der deutschen Musikkritik. Seit 2015 hat die langjährige Musikredakteurin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Kolumne in deren Sonntagsausgabe. Der Titel ist Programm: "Fragen Sie Eleonore Büning". Insgesamt 58 Leserfragen, inklusive ihrer Antworten sind nun in einem Sammelband erschienen. "Warum geht der Dirigent so oft zum Friseur?" heißt er.

Buchcover – Eleonore Büning: Warum geht der Dirigent so oft zum Friseur? | Bildquelle: Benevento

Bildquelle: Benevento

Die Geschäftsgrundlage vieler Kolumnen ist nicht selten die Provokation. Dass es auch anders geht, zeigt seit einer Weile schon Eleonore Büning, die elder Stateswoman der deutschen Musikkritik: Mit Texten, die eher ins heiter-absurde tendieren und nicht zur scharfen Polemik. Was möglicherweise auch daran liegt, dass mit Musik, zumal mit klassischer, nicht mehr viel Rabatz zu machen ist. So schreibt Büning: "Mir persönlich fällt, außer mir selbst, niemand ein, der sich noch über Musik aufregt, egal ob Alte oder Neue."

Es sei denn, man stichelt gezielt in die heiligen Nischen hinein, die Nester der Eitelkeit, die es in diesen Sphären immer noch zahlreich gibt. Apropos: Warum dürfen eigentlich nur Wagners ran, wenn es um die Leitung der Wagnerfestspiele geht? "Weil die Mitglieder der Familie Wagner andernfalls auf Dauer arbeitslos wären. Das kann ökonomisch und sozial, niemand verantworten. (...) Sie können nur Festspiele leiten oder unglücklich sein." Können tut sie's also, das mit der Provokation. Belebend bissig ist das bisweilen, was Büning so schreibt. Über die Wagners etwa, oder zur Frage, ob Richard Strauss eigentlich Feminist war: "Nein. Strauss war Straussist."

Kurz und bündig

Dieses Buch wird lieben, wem …
...
Joachim Kaiser zu schulmeisterlich ist

Dieses Buch liest man am besten …
... egal wo, geht auch beim Friseur.

Dieses Buch ist wie geschaffen für …
... Moderatoren zum Beispiel. Viel witziger Stoff, geht gut über den Äther.

Frage-Antwort-Pingpong

Aber Büning ist eben nicht nur Kolumnistin. Sie bedient mit ihren Texten noch ein zweites Genre, das dieser Tage hoch im Kurs steht: Ratgeberliteratur. Stellt sich im Vorwort in die Tradition von Klassikern wie "Der Fleckenkünstler" von 1773 oder, noch besser und ausführlicher, der "Der vollkommene Fleckenkünstler" von 1797 – aufklärerische Putzmittelkunde für jedermann und jederfrau. Was schon zeigt: Eleonore Büning verfügt über genug Selbstironie, um das Setting – FAZ-Leser fragen, FAZ-Autoren antworten – nicht in dröges Gelehrtenpingpong ausarten zu lassen. Obwohl Pingpong an sich gar nicht so verkehrt ist. Meist folgt auf die Frage erstmal ein Schmetterball, straight und schnodderig: Sind Wagners Meistersinger antisemitisch? – "Ja."

Darf ich im Konzert einschlafen? – Selbstverständlich. Wo sonst?
Eleonore Büning

Nein, hier meldet sich keine Großkritikerattitüde. Auch wenn es auf den ersten Blick so wirken mag, dieses selbstbewusste Zack-so-isses. Die Antwort gibt's zwar direkt, sie ist aber nur der Auftakt zu einer längeren, manchmal anekdotischen, immer unterhaltsamen Erörterung des Themas, die das erste Urteil niemals revidiert aber immer differenziert. Und vor allem sagt: Alles gesagt ist noch lange nicht.

Zitat aus dem Buch

"Im Fall des Konzertschläfers ist festzuhalten: Er kriegt viel mit. Manchmal mehr als die Wachenden. Denn das unbewusste Hören ist dem kognitiv gesteuerten, womöglich gar von einer Taschenpartitur auf den Knien unterstützten allemal hundertfach überlegen."

Cool, knapp, anschaulich

Vom Grundsätzlichen bis ins Absurde, Stichwort Dirigenten beim Friseur, reichen die Fragen, die Büning in ihrem Büchlein beantwortet. In einem Stil, wie man ihn aus ihren Kritiken kennt: cool, knapp, anschaulich. Außerdem lehrreich, ohne lehrmeisterlich zu sein. Oft lustig. Und manchmal sogar prophetisch – wie in dieser Kolumne aus dem Spätherbst letzten Jahres: "Das [wäre] eine wunderbare Vision: Alles verlagert sich ins Virtuelle, ganze Imperien im Musikmanagement werden eines Tages überflüssig werden. Und das Live-Konzert wird noch kostbarer."

Informationen zum Buch

Eleonore Büning: "Warum geht der Dirigent so oft zum Friseur? Antworten auf die großen und kleinen Fragen der Musik".
Benevento Verlag
224 Seiten
Preis: 20 Euro

Sendung: "Allegro" am 24. September 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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