Die Mandoline ist das Instrument des Jahres 2023. Sie zu spielen, scheint aber seit ihrer Erfindung im 17. Jahrhundert vor allem eine weibliche Angelegenheit gewesen zu sein. Jedenfalls gibt es unfassbar viele Gemälde, Stiche und Zeichnungen aus der Kunstgeschichte, die das Motiv "Frau mit Mandoline" zum Bildgegenstand machen. Dabei hat das Instrument nicht immer dieselbe Rolle gespielt.
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Zugabe
Die Mandoline in der Kunst
Sie trägt eine weiße Haube, hat ein hübsches Antlitz, am Hals baumelt ein Schmuckstück und im Arm liegt ein verziertes Instrument. So oder so ähnlich sieht sie im Barock aus, die "Frau mit Mandoline." Der Maler hätte seinem Modell genauso gut einen Staubwedel, einen Schneebesen oder eine Ananas verpassen können. Wirkt nur nicht so edel. Das heißt: Es geht gar nicht um Musik. Das sind Porträts adeliger Frauen, schöner Frauen. Und das Accessoire zeigt: Mandoline spielen ist gerade absolut angesagt in deren Bubble. So sehen Influencerinnen anno 1700 aus.
Springen wir gut 50 Jahre weiter zu Giovanni Battista Tiepolo. Wer die Würzburger Residenz kennt, der weiß, was der venezianische Maler drauf hatte: großformatige, dynamische Fresken. Von Tiepolo gibt es aber auch ein Gemälde "Frau mit Mandoline". Voll im Im Rokkoko-Stil und entsprechend fleischig - der jungen Dame rutscht - potzblitz - eine dralle, weiße Brust aus dem Kleid. Da war das Tremolo beim Mandoline-Spielen wohl ganz schön heftig. So wird die Mandoline zum Alibi für erotische Darstellungen.
Gemälde von Jean-Baptiste-Camille Corot, 1870 | Bildquelle: picture alliance / Liszt Collection | Liszt Collection Im 19. Jahrhundert wird's dann wieder braver. Der Franzose Jean Baptiste Camille Corot war vernarrt in musizierende Schönheiten: seine Modelle sind versunken in ihre eigene Welt und warten auf den zärtlichen Geliebten, der süßlich säuselt wie das Echo ihrer Mandoline. So sieht die Traumfrau der Romantik aus: tugendhaft, adrett und künstlerisch ambitioniert. Bezaubernd ist die Mandolinenspielerin der amerikanischen Künstlerin Mary Cassatt: ein junges Mädchen mit vollen Lippen und großen Augen, gekleidet in den Nationalfarben Frankreichs. Ihr trauriger Blick in die Ferne erweckt den Eindruck, allein die Kunst, die Mandoline sei ihr Trost. Damit sehen wir im Jahr 1872 zum ersten Mal eine Mandolinen-Frau aus weiblicher Sicht, befreit vom begehrenden männlichen Blick. So geht's los mit der Blaustrumpf-Bewegung.
Gemälde von Max Beckmann, 1884 | Bildquelle: picture alliance / World History Archive Auch Max Beckmann setzt Mandoline und Frau in Szene: Mit satten schwarzen Umrisslinien legt er die Mandoline einer Halbnackten in den Schoß. Ob das Instrument im rot-gelben Gemälde Baby, Liebhaber oder Vergewaltiger ist, wird durch den angewiderten Blick der Frau klar. Nein, es geht nicht um's Musizieren. Die Mandoline auf dem Schoß wird zur Bedrohung, als wäre die Frau ihrem säuselnden Klang (oder dem des Verehrers) auf den Leim gegangen. So wird das Instrument zur Metapher. Für Brutalität, für Heuchelei.
Den absoluten Rekord mit Mandolinendarstellungen hält Pablo Picasso. Kein Wunder, in Spanien erlebte das Zupfinstrument rund um 1900 ein Revival. Und Picasso legt sich ins Zeug. Er taucht Mandoline und Frau in den Blautopf, er skizziert sie mit breiten, schnellen Pinselstrichen in Rose-Tönen. Irgendwann jedoch hängt ihm das Motiv "Frau mit Mandoline" offenbar zum Hals raus. Im Kubismus geht's der Mandoline inklusive Spielerin an den Kragen. Picasso und sein Kollege Georges Braque zersägen das altbekannte Motiv mit Pinsel und Farbe zu scharfkantigen Puzzleteilen. Die man aber im Geiste wieder problemlos zusammen setzt! Das Jahr der Mandoline ist also auch ein Jahr der Bilder-Geschichten. Und ein abwechslungsreicher Spaziergang durch unsere Geschichte - mit den Ohren und mit den Augen.
Sendung: "Allegro" am 20. Januar 2023 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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