Im Sommer wurden die ersten Vorwürfen an Plácido Domingo bekannt: Sexuelle Übergriffe an Frauen. Die Opernhäuser reagierten unterschiedlich: Einige legten die Zusammenarbeit mit ihm sofort auf Eis. Andere wollten Domingo nicht vorschnell verurteilen. Am Dienstag entschuldigte sich der Opernstar nun erstmals öffentlich für sein Fehlverhalten. Das hat Konsequenzen: Die Salzburger Festspiele wollen neu über die Engagements mit Plácido Domingo nachdenken. In Spanien ist erstmals ein Auftritt des Opernstars abesagt worden. Die Staatsoper München hingegen hält an ihm fest.
Bildquelle: Greg Gorman/LA Opera
"Wir sind irritiert über diese neuen Entwicklungen und nehmen die Thematik rund um Plácido Domingo sehr ernst", sagte der Pressesprecher der Hamburger Staatsoper Michael Bellgardt. Wie er am Mittwoch bekanntgab, will die Staatsoper zunächst an den geplanten Auftritten Domingos Ende März festhalten. Man beschäftige sich genau mit den neuesten Entwicklungen und informiere sich umfassend. "Wir werden uns auch mit den anderen Institutionen in Europa austauschen und danach an die Öffentlichkeit treten", so Bellgardt. Im Rahmen der "Italienischen Opernwochen" (8. März bis 2. April) der Hamburger Staatsoper sind drei Auftritte von Plácido Domingo in Giuseppe Verdis Oper "Simon Boccanegra" geplant.
Die Salzburger Festspiele teilten auf dpa-Anfrage mit, es gebe für das Engagement von Plácido Domingo in den beiden konzertanten Aufführungen der Verdi-Oper "I vespri siciliani" (Die sizilianische Vesper) im August 2020 unterschriebene Verträge. "Es war und ist den Festspielen ein Anliegen, den mit Vorwürfen eines Fehlverhaltens belasteten Sänger fair zu behandeln, also keine Vorverurteilung vorzunehmen." Die Faktenlage habe sich jetzt allerdings geändert, nachdem Domingo eingeräumt hatte, dass sein Verhalten die betroffenen Frauen verletzt haben könnte. "Die Salzburger Festspiele wollen zunächst umfassende Informationen zum Fortgang der in den USA laufenden Untersuchungen einholen und danach ihre Entscheidung der Presse bekanntgeben", hieß es in der Stellungnahme aus Salzburg.
Die spanische Regierung reagierte sofort und strich zwei geplante Auftritte des 79-Jährigen am Teatro de la Zarzuela in Madrid. Diese Entscheidung treffe man "aufgrund der Schwere" der Vorwürfe und "aus Solidarität mit den betroffenen Frauen", teilte am Mittwoch das Nationale Institut für Darstellende Künste und Musik (INAEM) mit, das das Zarzuela-Theater betreibt und dem Kulturministerium der sozialistischen Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez untersteht.
Bei den Opernfestspielen 2020 in München wird Plácido Domingo hingegen auftreten. "An unserem Haus sind uns keine Vorfälle bekannt, es gibt keinerlei Bedenken von Seiten unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", erklärte Intendant Nikolaus Bachler. "Herr Domingo zeigte für sein Verhalten Reue. Auch daher sehen wir keinen Grund, vertragsbrüchig zu werden."
Domingo hatte sich am Dienstag bei den Frauen entschuldigt, die ihm im Zuge der MeToo-Bewegung Übergriffe vorgeworfen hatten. "Ich möchte, dass sie wissen, dass mir der Schmerz, den ich ihnen zugefügt habe, wirklich leid tut", erklärte er. "Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Handeln." Zuvor hatte eine Untersuchung des US-Verbands der Musikkünstler (AGMA) die Vorwürfe zahlreicher Sängerinnen bestätigt. Domingo hatte die Beschuldigungen bisher zurückgewiesen. Nach den Vorwürfen war er im Oktober 2019 als Chef der Oper in Los Angeles zurückgetreten. Einige Opernhäuser und Orchester in den USA sagten Auftritte Domingos ab. Andere - vor allem in Europa - hielten jedoch zunächst weiter an dem Klassik-Weltstar fest.
Sendung: "Leporello" am 26. Februar 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK.