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Britisches Kultfestival für Opernfans Wimbledon, Ascot - und Glyndebourne

Es ist das britische Festival schlechthin für Oper im Sommer. Mit seiner ersten Saison als Generaldirektor des Glyndebourne Opera Festivals konnte der aus Rostock stammende Opernmanager Sebastian F. Schwarz 2016 die Auszeichnung "Festival of the Year" einheimsen. Im BR-KLASSIK-Interview spricht er nun über seine Pläne für einen Gesangswettbewerb und die Auswirkungen des Brexit auf das traditionsreiche Festival.

Picknick beim Glyndebourne Opernfestival | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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BR-KLASSIK: Das aktuelle Profil von Glyndebourne, wie würden Sie es beschreiben?

Sebastian F. Schwarz: Da unterscheiden sich die Bilder, die es von Glyndebourne innerhalb Englands und in Europa gibt. Was es besonders macht, ist definitiv das Gesamtkunstwerk des Glyndebourne-Erlebnisses. Glyndebourne gehört zur "Summer Season" - so wie Wimbledon, Ascot und die Henley Ruder-Regatta. Es gibt Leute, die kommen einfach, um gesehen zu werden. Das ist Teil ihres Sommers. Aber natürlich steht für uns immer die Oper im Mittelpunkt. Der Glyndebourne-Gründer John Christie hat es seinerzeit auf den Punkt gebracht: "Not the best we can do, but the best that can be done anywhere." Ein Motto, das wir bis heute wiederholen.

Von Mozart bis Poulenc

BR-KLASSIK: Sie selbst sind seit Mai 2016 Generaldirektor des Glyndebourne Opera Festivals. Welche neuen Ideen sind Ihnen hier schon gekommen?

Sebastian F. Schwarz: Zum einen wird es im kommenden Jahr im März einen neuen Gesangswettbewerb geben, den Glyndebourne Opera Cup. Nun kann man natürlich fragen: Gibt es nicht schon genug Gesangswettbewerbe auf der Welt? Das mag sein, aber in diesem Land definitiv nicht. Und mit diesem Wettbewerb werden wir uns international auf die Suche begeben - mit ganz tollen Partnern, die in der Jury vertreten sein werden, wie zum Beispiel Barrie Kosky und Sophie de Lint, die das Opernhaus in Amsterdam übernehmen wird. Auch Theaterleute sind dabei, die dann die Sänger einladen können. Was das Programm betrifft, so werden wir natürlich weiter Mozart pflegen. Robin Ticciati, unser derzeitiger Musikdirektor, ist ein großer Liebhaber des französischen romantischen Repertoires. In der kommenden Spielzeit gibt es mit "Pelléas et Mélisande" eine Neuproduktion von Stefan Herheim. Auch mit Berlioz wird es weitergehen. Und 2020 kommt Barrie Kosky mit einer Neuproduktion von Poulencs Oper "Die Dialoge der Karmeliterinnen" - ein spannendes Stück, das wir hier noch nie gespielt haben.

Mozarts "La clemenza di Tito" aus Glyndebourn live

Die aktuelle Inszenierung von Mozarts "La clemenza die Tito" vom Glyndebourne Opera Festival können Sie am Donnerstag, 3. August 2017, live auf den Online-Seiten von "The Telegraph" sehen. Danach gibt es die Oper dort für sieben Tage zum Ansehen.

Ganz spezielle Künstlergemeinschaft

BR-KLASSIK: Und die Künstler? Man kommt ja nicht eben mal vorbei und singt seine schon etablierte Rolle. Hier gibt es die Chance, etwas zu erarbeiten.

Sebastian F. Schwarz: Wir haben grundsätzlich - auch für Wiederaufnahmen - sechs Wochen Probenzeit. Die Künstler mieten sich etwas in Lewes oder in anliegenden Dörfern. Wenn man zu Fuß nach der Probe von Glyndebourne über den Mount Caburn nach Lewes geht, immerhin 40 Minuten über die Schafswiesen, da schwingt doch vieles von der Probe nach. Ich bin überzeugt, man spürt tatsächlich, dass auch die Gemeinschaft der Künstler, die hier allein schon durch diese Abgeschiedenheit entsteht, einen ganz anderen Umgang miteinander ermöglicht. Wir sind hier nun einmal mitten in einem Nationalpark.

Glyndebourne muss ein internationales Opernfestival bleiben.
Sebastian F. Schwarz

BR-KLASSIK: Neben der Vielfalt des Programms und den vielen Traditionen, die sich innerhalb von 80 Jahren entwickelt haben, steht stets die Frage nach der Unterstützung. Dieses Festival wird aus Eigenmitteln finanziert, ist abhängig von Sponsoren. Wie erleben Sie ihre Rolle als deutscher Intendant  gerade jetzt in dieser kritischen, aktuellen politischen Situation?  

Kulturmanager Sebastian Schwarz | Bildquelle: ©  Lars Neumann Generaldirektor des Glyndebourne Opernfestivals: Sebastian F. Schwarz | Bildquelle: © Lars Neumann Sebastian F. Schwarz: Wir haben tatsächlich den Vorteil, dass wir durch unsere Karteneinnahmen und unser Mitgliedschaftssystem eigenständig sein können. Aber natürlich macht der Brexit uns allen auch Angst. Es gibt viele Spekulationen. Doch eines ist sicher: Dass ich in Zukunft Schwierigkeiten haben werde, europäische Künstler hier mal schnell einzufliegen. Eben weil in Glyndebourne gilt: "The best that can be done anywhere", muss es egal sein, von wo die besten Künstler kommen. Ob es englische Künstler sind, die bei uns immer ein Zuhause haben - oder ob es Künstler aus dem restlichen Europa oder dem Rest der Welt sind. Glyndebourne muss ein internationales Opernfestival bleiben.

Derzeit hat allerdings auch das Pfund mächtig an Wert verloren. Das heißt, die Gagen, die wir zahlen, sind - am Euro gemessen - derzeit weniger wert. Und da gibt es auch Künstler, die sagen: Moment, als ich unterschrieben habe, da hatte mein Engagement noch einen anderen Wert. Das sind durchaus Entwicklungen, die sich direkt auswirken. Alles Weitere wird sich zeigen.

Die Fragen stellte Franziska Stürz für BR-KLASSIK.

Sendung: Leporello, 1. August 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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