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Dirigentin Barbara Hannigan im Gespräch "Jeden Tag unsere Gemeinsamkeiten feiern"

Die Sopranistin und Dirigentin Barbara Hannigan gastierte am 8. und 9. März bei den Münchner Philharmonikern. In der Philharmonie im Gasteig kombinierte sie Alban Bergs Violinkonzert "Dem Andenken eines Engels" mit dem Requiem von Mozart. Ein Gespräch über Todesschreie und starke Frauen.

Bildquelle: Raphael Brand

Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Alban Bergs Violinkonzert "Im Andenken eines Engels" und Mozarts Requiem: Beides sind Musiken zu Ehren eines Toten, beides sind letzte Werke und beides sind Auftragswerke. Was war Ihre Motivation, die Werke in einem Konzert zusammenzubinden?

Barbara Hannigan: Dieses Programm überzeugt durch seine Dramaturgie. In beiden Werken geht es um die Transfiguration des Todes und um Erinnerungen. Wenn jemand stirbt, erinnern wir uns auch an unser eigenes Leben zurück. Alban Berg gedenkt in seinem Stück nicht nur der mit 18 Jahren verstorbenen Manon Gropius, er blickt zugleich auch auf sein eigenes Leben und seine Jugend zurück. Als er selbst so alt war wie die Verstorbene, ist er gerade Vater geworden. Seine Erinnerung daran können wir in der Melodie eines Volkslieds aus Kärnten heraushören. Es geht in diesem Stück also auch um Liebe. Wir können unsere eigenen Empfindungen davon nicht lösen. Dieses Programm ist sehr introspektiv und voller Emotionen.

Wenn jemand stirbt, erinnern wir uns auch an unser eigenes Leben zurück.
Barbara Hannigan

Ein Violinkonzert wie ein Todesschrei

BR-KLASSIK: Alban Berg arbeitete gerade an seiner Oper "Lulu" als er den Auftrag für dieses Violinkonzert bekam. Dieser Auftrag hat ihn eigentlich in seiner Arbeit gestört. Er wusste auch nicht, wie er mit dem Stück anfangen soll. Hat ihn das traurige Ereignis vom Tod der Manon Gropius dabei geholfen, den richtigen Ton zu finden?

Barbara Hannigan: Dieses Ereignis war vielleicht wirklich ein Einstieg in die Gattung des Violinkonzerts für ihn. Ich glaube, dass er bei der Komposition von "Lulu" einfach nicht mehr weiterkam. Er wusste damals gar nicht, ob diese Oper jemals aufgeführt werden würde. Die Nazis hatten Alban Berg als Juden diffamiert, sodass seine Werke nicht mehr gespielt wurden. Die Chancen für eine Aufführung von "Lulu" standen sehr schlecht. Somit war die Komposition des Violinkonzerts eine Art Ventil für seine kreative Energie. Für mich stehen Manon Gropius und das Violinkonzert in sehr enger Beziehung zu "Lulu". In der Hamburger Neuinszenierung von Christoph Marthaler in 2017 und 2018 haben wir die Oper mit dem Violinkonzert beendet. Ich wurde als Darstellerin Teil davon. Nachdem ich als Lulu gestorben war, also nach Lulus Todesschrei und den letzten Worten der Gräfin Geschwitz, hat Veronika Eberle begonnen, das Violinkonzert zu spielen. Veronika hatte in der ganzen Inszenierung eine Art Doppelgängerrolle. An einer bestimmten Stelle im ersten Satz werde ich als Lulu wieder lebendig und beginne, in diesem Violinkonzert als Figur mitzuspielen. Aus dieser Erfahrung heraus verbinde ich mit diesem Stück das Gefühl von endloser Sehnsucht, von Transfiguration und von der Erlösung einer Seele. Allerdings weiß ich über Manon Gropius nicht so viel. Dafür mehr über Alma Mahler-Werfel und ihre Beziehung zu den Komponisten ihrer Zeit.

Starke Frauen an der Seite der Komponisten

BR-KLASSIK: Alban Berg und seine Frau Helene hatten eine nahezu symbiotische Beziehung. Sie hat ihn unterstützt, wo sie nur konnte. Die Nachwelt hat das auch sehr gewürdigt. Es werden aber doch immer die Frauen gelobt, die ihren Männern zugearbeitet haben. Komponierende Frauen hatten nie diese Unterstützung.

Sopranistin und Dirigentin Barbara Hannigan | Bildquelle: © Musacchio Ianniello Accademia Nazionale di Santa Cecilia Barbara Hannigan, Dirigentin | Bildquelle: © Musacchio Ianniello Accademia Nazionale di Santa Cecilia Barbara Hannigan: Zu jener Zeit gab es schon einige weibliche Musikerinnen und Komponistinnen. Eigentlich gab es sie ja immer. Denken wir nur an Hildegard von Bingen oder Barbara Strozzi, die von vielen als die beste Komponistin ihrer Zeit bezeichnet wird. Alma Mahler-Werfel war zum Beispiel sehr talentiert. Sie hatte bei Alexander Zemlinsky studiert. Wie wir wissen, hat Gustav Mahler ihr als seiner Frau weitere kompositorische Aktivitäten untersagt. Diese Epoche fasziniert mich sehr. Ich habe eine CD nur mit Musik aus dieser Zeit aufgenommen, darunter auch Lieder von Alma Mahler-Werfel. Sie können natürlich nicht mit den anderen Liedern auf dieser CD von Schönberg, Berg, Zemlinsky, Webern und Wolf verglichen werden. Aber sie spielen für diese Zeit eine große Rolle. Alma Mahler-Werfel war eine zentrale Figur damals, auch wenn sie sich als Komponistin nicht weiterentwickeln konnte. Es wäre schon spannend zu wissen, was aus ihr hätte werden können.

BR-KLASSIK: Am 8. März feiern wir den Weltfrauentag. Welche Bedeutung hat so ein Tag für Sie?

Barbara Hannigan: Wir haben ja keinen internationalen Männertag. Deswegen hat der Weltfrauentag eher einen bitteren Nachgeschmack für mich. Ich meine, dass an jedem Tag der Schöpfung und der gesamten Menschheit gedacht werden sollte.

Sendung: "Allegro" am 8. März 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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