"Weibliche Regisseure gibt es nicht, das werden Sie nie schaffen", das sagte August Everding in den 60ern zu seiner ersten weiblichen Hospitantin. Aber auch heute sieht es nicht besser aus: Frank Castorf erklärte in einem Interview mit der SZ, er habe selten erlebt, "dass eine Frau besser inszeniere als ein Mann". In der Spielzeit 2018/19 stehen rund 80 Opernregisseuren an den bayerischen Staatstheatern nicht mal 20 Frauen gegenüber. Wie kommt es, dass im 21. Jahrhundert immer noch so ein Ungleichgewicht an den Opernhäusern herrscht?
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"In diesen Berufen ist man als Frau Mensch zweiter Klasse": mit Galgenhumor präsentiert die Theaterwissenschaftlerin und Publizistin Christina Haberlik das Resümee ihrer Forschung. 55 Regisseurinnen aus vier Generationen hat sie porträtiert, viele von ihnen interviewt. Daraus wird deutlich: Vor allem die ersten Generationen mussten weit mehr leisten, als ihre männlichen Kollegen, um akzeptiert zu werden. Weibliche Regisseurinnen wurden lange nicht ernst genommen und werden immer noch schlechter bezahlt.
In der Spielzeit 2018/19 werden laut Premierendatenbank von Die deutsche Bühne/Deutscher Bühnenverein 352 Männer und 128 Frauen an deutschen Opernhäusern Premieren inszenieren. In dieser Spielzeit stehen rund 80 Opernregisseuren an den bayerischen Staatstheatern nicht mal 20 Frauen gegenüber. Obwohl laut statistischem Bundesamt der Anteil der weiblichen Studierenden in künstlerischen Fächern deutlich über dem der männlichen liegt, nämlich bei 63 Prozent, nimmt der Frauenanteil in höheren Qualifikationsstufen, etwa der Lehre, deutlich ab. Laut der Studie "Frauen in Kultur und Medien" des Deutschen Kulturrates von 2016 werden 78 Prozent der deutschen Theater von männlichen Intendanten geleitet, nur 22 Prozent von weiblichen. Die meisten weiblichen Intendantinnen gibt es dabei an kleinen oder mittleren Häusern. Derselben Studie zufolge geben Regisseurinnen ein um 36 Prozent geringeres Einkommen bei ihren Versicherungen an als Regisseure.
Es ist immer noch ein patriarchalischer Betrieb.
Christina Haberlik stößt in ihrer Forschung auf die immer gleichen Gründe dafür, dass es so wenig Frauen in der Opernregie gibt. Vieles scheint ein Generationenproblem zu sein. Der gesellschaftliche Wandel vollzieht sich am Theater nur sehr langsam, weil in den entscheidenden Positionen fast ausschließlich Männer sitzen. Und die bleiben bis ins hohe Alter auf ihren Posten und arbeiten vorrangig mit Regisseuren zusammen, die sie gut kennen. Das sind in dieser Generation eben meistens Männer. Auch die Politik steuert nicht gegen: Im letzten Jahr wurden in fünf von sechs bayerischen Staatstheatern die Intendanzen neubesetzt - ausschließlich mit Männern.
Wir suchen in diesem stark Männer-dominierten Werk den weiblichen Blick in der ästhetischen Umsetzung.
Regisseurin Amélie Niermeyer | Bildquelle: Bayerische Staatsoper
Regisseurin Amélie Niermeyer inszeniert gerade an der Münchner Staatsoper "Otello". Sie sieht den Grund für das Ungleichgewicht in der Intendanz bei den Kulturpolitikern der alten Generation: "Ich glaube, dass Männerm ein großer Betrieb immer noch eher zugetraut wird, als einer Frau. Das ist im Denken vieler Kulturpolitiker ganz klar vorhanden, vor allem in der älteren Generation." Mehr Frauennetzwerke wären dringend nötig, um dieses Ungleichgewicht zu beheben, sagt Amélie Niermeyer weiter.
Gerade ist einiges in Bewegung, es gibt endlich Netzwerke für Regisseurinnen, vor allem Intendantinnen stellen mehr Frauen ein und rufen zu mehr Zusammenhalt auf. Aber es gibt auch männliche Kollegen, die das Thema für sich entdecken, wie z.B. der Intendant der Theater Chemnitz, Christoph Dittrich. Er lässt in diesem Jahr Wagners "Ring" von vier Regisseurinnen inszenieren.
Doch einen ähnlichen Weg wie Christoph Dittrich würden zu wenige Männer gehen, sagt Amélie Niermeyer. Viele Intendanten machten sich gar nicht erst die Mühe, nach weiblichen Regisseurinnen zu suchen und griffen meist auf bewährte Namen zurück. Um das zu ändern hat sie eine klare Forderung: "Nach den Erfahrungen der letzten zehn Jahre ist der Prozess einfach zu langsam und auch zu sehr stecken geblieben, dass ich denke, eine Frauenquote wäre auf jeden Fall mal für eine Weile extrem sinnvoll."
Kommentare (1)
Donnerstag, 15.November, 19:28 Uhr
Matthias Lotz
Benachteiligung von Frauen
Frauen sollten nicht länger als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Sie sollten beruflich die gleichen Chancen haben und nicht benachteiligt werden, nur weil sie Frauen sind und anders fühlen, denkeln wie die Männer. Dadurch wird einiges vielleicht auch anders und interessanter wie bisher.