Er ist der berühmteste Kobold im deutschsprachigen Raum: Pumuckl. Und ein großer Künstler noch dazu! Ob Dichtkunst, Malerei oder Musik – seine Schöpferin, Ellis Kaut, hat aus ihm einen Tausendsassa gemacht. Am 17. November ist ihr 100. Geburtstag.
Bildquelle: BR/Infafilm GmbH/Original-Entwurf Pumuckl-Figur: Barbara von Johnson
Das Pumuckl-Porträt zum Anhören
Die Körpermaße eines Künstlers sagen zum Glück über die Größe seiner Kunst nichts aus. Gerademal eine Schreinerhand voll misst er. Sein Name, Pumuckl, ist übrigens eine Koseform von Nepomuk. Seine Erkennungszeichen: verwuscheltes, rotes Haar, barfuß – und immer die gleichen Kleider: grüne Hose, gelber Pulli. In den 1960er- bis 80er-Jahren lebt er in einer Kommune mit dem Münchner Schreinermeister Eder. Er ist ein Universalgenie, quasi ein Goethe des Hinterhofs: Pumuckl malt, Pumuckl musiziert, Pumuckl dichtet!
Die 1920 in Stuttgart geborene Ellis wuchs in München auf, wo sie 1938 mit 17 Jahren zum ersten offiziellen "Münchner Kindl" gekürt wurde. Und so vielfältig interessiert wie ihre Figur Pumuckl war sie auch selbst: Sie arbeitete als Schauspielerin, Sprecherin, studierte Bildhauerei – und schrieb Hörspiele für den Rundfunk. Für die 1962 startende Hörfunkserie Pumuckl – später kam das Buch und die Fernsehserie dazu – bekam sie etliche Preise und Auszeichnungen. Am 24. September 2015 verstarb Ellis Kaut im Alter von 94 Jahren.
Da bin ich nun allein zu Haus,
der Mond sieht wie ein Knödel aus.
Und wär' er nicht am Himmel droben,
ich stubbste ihn, er läg am Boden.
Pumuckls literarisches Œuvre enthält auch Briefe: "Viel kalt" schreibt er einer Nachbarin und lässt so Spielraum damit viel für Interpretationen. | Bildquelle: BR/Infafilm GmbH/Original-Entwurf "Pumuckl"-Figur: Barbara von Johnson
Sein berühmtestes Werk reiht sich in die romantische Tradition der Mondgedichte ein, so darf man Pumuckl getrost in einem Atemzug mit Heine, Eichendorff oder Rückert nennen. Pumuckls Mondverse knüpfen im vierhebigen Jambus an antike Dichtkunst an. Gleichzeitig leugnet das lyrische Ich darin nicht den Bezug zur "Zwangs"-Wahlheimat Bayern – Stichwort: Knödel. Pumuckls Gedichte lassen immer wieder eine Schwermut durchblicken, eine Einsamkeit – wie in seinem Lamento zum Spanferkelessens, an dem teilzunehmen ihm versagt wurde, aufgrund der Nicht-Zugehörigkeit zum Kulturkreis seines Mitbewohners.
Einsam sitz ich in der Schaukel.
Die Welt ist traurig und voll Gaukel.
Abstrakt, naiv, konkret, mit Pinsel oder Bleistift – der Maler Pumuckl hat viele Seiten. Gerade in seinen Zeichnungen kommt seine Herkunft zum Vorschein: Aus der uralten Tradition der Klabauter stammend, verwundert es nicht, dass in ihm ein Marinemaler steckt. Sein liebstes Motiv: Meer und Segelschiffe.
Bayerischer Bohémien - der Maler Pumuckl bei einer gescheiten Brotzeit in seiner Künstlerwerkstatt. | Bildquelle: BR/Infafilm GmbH/Original-Entwurf "Pumuckl"-Figur: Barbara von Johnson
Bemalt werden nicht nur Lein- sondern auch Zimmerwände. Und hier merkt man es schon: Im Pumuckl steckt auch ein anarchischer Künstler, dem seine Kunst über alle Konventionen geht. Weil er in Gegenwart anderer – abgesehen vom Schreinermeister – unsichtbar ist, können seine Zeichnungen als Vorläufer des britischen Streetart-Künstlers Banksy gelten.
Seine Werke provozieren, stoßen Betrachter vor den Kopf, oder sorgen einfach für Kopfschütteln. Seine Wut, seinen Zorn als unverstandener Künstler verarbeitet Pumuckl in Aktionskunst. Dabei greift er öfters zum Mittel des Zwickens, aber vor allem des Herunterschmeißens.
Kobolde lieben Musik, und Pumuckl singt besonders gern. Sei es mit einer Männergesangsrunde, am Radio zur Opernübertragung, oder solistisch als Badewannentenor mit Seemannslied. Bei dieser stilistischen Bandbreite verwundert es nicht, dass Pumuckl sich auch in der Musik zum Experimentellen hin öffnet. Sein Stück für Klabauter und tropfenden Wasserhahn aus dem Jahr 1982 erlangte über die Grenzen Bayerns Berühmtheit. Die Freitonalität der seriellen Miniaturen war möglicherweise richtungsweisend für die Neue Musik.
Wenn der Wasserhahn tropft, hutschihei, hutschihei, und mein Herz fröhlich klopft, hutschihei, hutschihei
Der Pumuckl baut sich ein Schlagzeug aus Blechbüchsen. | Bildquelle: BR/Infafilm GmbH/Original-Entwurf "Pumuckl"-Figur: Barbara von Johnson
"In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister" – dieses Zitat von Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe galt Pumuckl nicht nur in seinen eigenen Gedichten, sondern auch in seiner Musik als Leitsatz. Auf der Suche nach einem ursprünglichen, fast archaischen Klangbild, scheute der Allround-Kobold nicht vor dem Bau eigener Instrumente zurück. In seiner Künstlerwerkstatt tüftelte er zum Beispiel an einem Schlagzeug aus alten Blechbüchsen, wie Archivbilder belegen.
Sendung: "Allegro" am 17. November 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK