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Bayreuther Festspiele

24. Juli - 27. August 2024

Plácido Domingo dirigiert "Die Walküre" in Bayreuth "Für Wagner braucht man Zeit"

Bis 1995 sang Plácido Domingo den Parsifal, bis 2000 Siegmund in der "Walküre" bei den Bayreuther Festspielen. Jetzt, 18 Jahre später und mit 77 Jahren, will er es noch einmal wissen und kehrt zurück auf den Grünen Hügel. Am Dienstag dirigiert er "Die Walküre" von Richard Wagner - BR-KLASSIK überträgt live. Fridemann Leipold hat den spanischen Sänger und Dirigenten im Bayreuther Festspielhaus zu einem Gespräch getroffen.

Bildquelle: picture alliance / GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Herr Domingo, wir sprechen während einer Pause der "Tristan"-Generalprobe bei den Bayreuther Festspielen. Welche Eindrücke haben Sie vom ersten Aufzug?

Plácido Domingo: Es ist fantastisch, vor allem weil Christian Thielemann dirigiert - er ist ein wahrer Meister. Mit der aktuellen Neuproduktion von "Lohengrin" hat er jetzt alle großen Wagner-Opern hier in Bayreuth dirigiert. Das Orchester klingt phänomenal. Ich finde auch die "Tristan"-Inszenierung äußerst interessant. Katharina Wagner hat einen sehr kreativen Ansatz gefunden und viele neue Ideen eingebracht. Isolde ist eine sehr starke Persönlichkeit. Die beiden sind so verliebt, dass sie den Liebestrank gar nicht mehr brauchen. Ich verbringe hier eine wunderbare Zeit und habe mir bereits alle Produktionen angeschaut.

Hier sein zu können, ist wirklich ein großes Privileg.
Plácido Domingo

BR-KLASSIK: Wie haben Sie sich als Wagner-Sänger gefühlt - stimmlich und vom Text her?

Plácido Domingo: Am Anfang habe ich das nicht gemerkt, weil ich leider ich nicht so gut Deutsch spreche, auch wenn ich es ganz gut verstehe. Zuerst war mir gar nicht bewusst, dass das Deutsch in Wagner-Opern ein ganz spezielles ist. So nach und nach habe ich das dann begriffen. Aber ich mochte das, ich singe überhaupt gerne auf Deutsch. Ich habe ja mehr als 50 Vorstellungen von "Parsifal" und auch von "Walküre" gesungen. Mir gefällt nicht nur die Musik, sondern auch die Beschäftigung mit dem Text.

BR-KLASSIK: Jetzt wechseln Sie die Seiten und dirigieren die "Walküre". War das Ihr Wunsch?

 Plácido Domingo | Bildquelle: © Dario Acosta /Deutsche Grammophon Kehrt nach 18 Jahren zurück auf den Grünen Hügel: Plácido Domingo | Bildquelle: © Dario Acosta /Deutsche Grammophon Plácido Domingo: Natürlich habe ich mir das als Sänger und Dirigent immer irgendwie gewünscht. Ich bin allerdings kein ausgesprochener Wagner-Dirigent. Deshalb habe ich zwar immer davon geträumt, aber mir trotzdem nie vorstellen können, dass ich tatsächlich einmal nach Bayreuth eingeladen werde. Als diese Einladung dann kam, war das für mich ein absolut aufregender Moment. Ich habe die Einladung angenommen, und nun bin ich da – weniger als zehn Tage vor der Premiere (lacht).

BR-KLASSIK: Sie kennen sich mit der Bayreuther Akustik als Sänger aus. Was ist im Orchestergraben anders?

Plácido Domingo: Wagner hat ja den halb geschlossenen Orchestergraben erfunden, damit die Sänger nicht von seinem riesig besetzten Orchester zugedeckt werden. Dadurch klingt das Orchester für den Dirigenten aber noch viel lauter – an manchen Stellen kann man die Sänger kaum hören. Man muss das Ganze also wirklich in die Hand nehmen und immer vorangehen. In einem normalen Theater hört man die Sänger als Dirigent besser. Aber hier besteht eine große räumliche Distanz zu den Sängern, das heißt, ihre Stimmen kommen beim Dirigenten verzögert an. Man darf auf keinen Fall langsamer werden, sonst sind wir nicht mehr zusammen. Das ist ein wichtiger Aspekt am Bayreuther Klang, und das bekommt man auch von allen Dirigenten schon im Vorfeld zu hören. Wenn man dann selbst im Graben steht, wird es einem sofort klar.

Man darf auf keinen Fall langsamer werden, sonst sind wir nicht mehr zusammen.
Plácido Domingo

BR-KLASSIK: Hat Christian Thielemann, der Musikdirektor der Bayreuther Festspiele, Ihnen Tipps gegeben?

Plácido Domingo: Ich habe ihn und Daniel Barenboim gefragt. Ich bin als ein sehr sängerfreundlicher Dirigent bekannt, der sie jederzeit nach Kräften unterstützt. Hier kann ich ihnen nur helfen, indem ich mit dem Orchester immer etwas voraus bin – nur so sind wir zusammen. Es ist eine andere Situation hier. Aber ich freue mich sehr auf die Aufführungen.

BR-KLASSIK: Die Sänger müssten eigentlich glücklich sein, weil sie hier von einem Sänger begleitet werden?

Der spanische Tenor Placido Domingo als Parsifal und die Sopranistin Waltraud Maier als Kundry, aufgenommen am 1992 bei den Richard Wagner-Festspielen in Bayreuth, wo Domingo sein Debut in der Wagner-Oper Parsifal gab. | Bildquelle: © dpa Placido Domingo als Parsifal und Waltraud Maier als Kundry, aufgenommen am 1992 bei den Richard Wagner-Festspielen in Bayreuth. | Bildquelle: © dpa Plácido Domingo: Einige von ihnen waren lange Zeit meine Kollegen auf der Bühne. Mit Anja Kampe als Sieglinde zum Beispiel habe ich sehr oft Siegmund gesungen, wir kennen uns natürlich gut. Manche Sänger kenne ich gar nicht. Sie leben in einer ganz anderen Welt. Ich selbst singe keinen Wagner mehr und habe ja inzwischen vom Tenor- zum Baritonfach gewechselt. Also bisher haben wir sehr gute Proben gehabt. Und ich denke, wir sind jetzt so weit.

BR-KLASSIK: Welche Tempi schlagen Sie in der "Walküre" an?

Plácido Domingo: Das Tempo ist immer relativ. Der Komponist hat natürlich etwas vorgegeben. Aber es hängt von den einzelnen Dirigenten und von den Sängern ab, da gibt es große Unterschiede. Man kann ein Tempo nicht vorschreiben. Dirigieren ist doch kein mechanischer Vorgang! Man muss sich in die Musik einfühlen. Und auch die Musiker brauchen ihre Zeit – vor allem wenn das Orchester alleine spielt, was in Wagners Opern ja sehr oft der Fall ist. Man muss den Phrasierungen und den Emotionen Raum lassen. Es kann vielleicht ähnliche, aber niemals zwei identische Interpretationen geben.

Man muss den Phrasierungen und den Emotionen Raum lassen.
Plácido Domingo

BR-KLASSIK: Warum ist die "Walküre" der populärste Teil des "Rings"?

Plácido Domingo: Die "Walküre" ist etwas ganz Besonderes. Natürlich sind alle vier Teile grandios, aber die "Walküre" wird am häufigsten allein aufgeführt. Viele Opernhäuser können nicht den gesamten "Ring" spielen, sie entscheiden sich dann für die "Walküre". Ich denke, es liegt auch an den beiden unglaublichen Charakteren, die wir leider nach der "Walküre" verlieren: Siegmund und Sieglinde. Die beiden repräsentieren die menschliche Seite in diesem Drama der mythologischen Erzählungen über die Götter. Es ist sehr schade, dass uns dieses Paar in den beiden folgenden Teilen der Tetralogie fehlt. Eigentlich ist es traurig, dass es in dieser Oper zwei so großartige Figuren gibt, die dann nicht mehr auftauchen. Wir verlieren in gewisser Weise ja auch Wotan. Er erscheint dann nochmal im "Siegfried" als Wanderer. Dadurch geht uns ein Stück Menschlichkeit verloren.

BR-KLASSIK: Wie haben Sie sich auf Ihr Dirigat in Bayreuth vorbereitet?

Plácido Domingo: Bevor ich hierherkam, habe ich mit verschiedenen Orchestern geprobt. Außerdem habe ich die "Walküre“ in Sankt Petersburg mit Valery Gergievs Mariinsky-Orchester dirigiert. Ich konnte ja nicht ohne Vorbereitung nach Bayreuth kommen, vor allem weil es hier nicht so viele Orchesterproben gibt wie an anderen Theatern – die Musiker spielen das Stück ja fast jedes Jahr! Ich habe mich in den letzten Monaten intensiv darauf vorbereitet.

BR-KLASSIK: Warum stellen Sie sich einer solchen Herausforderung in Bayreuth?

Plácido Domingo: Weil ich die Musik von Wagner liebe. Man hat mir diese Produktion angeboten, ich habe mich darauf vorbereitet und hoffe, dass alles gut klappt.

BR-KLASSIK: Ist es für Sie eine Art Abenteuer oder Experiment?

Plácido Domingo: Nein, das ist es nicht. Ich wurde dafür jetzt auch schon von anderen Opernhäusern angefragt. Ich freue mich darauf. Die Einstudierung ist natürlich viel aufwändiger als bei italienischen und französischen Opern – die kann man auch mit weniger Vorbereitungszeit dirigieren. Für Wagner braucht man mehr Zeit. Aber ich hoffe, dass alles gut läuft, und ich auch weiterhin Wagner dirigieren kann.

BR-KLASSIK: Sie haben alles erreicht in Ihrem Leben. Gibt es etwas, was Sie noch gern tun würden?

Plácido Domingo: Ich möchte gern weiterhin singen und dirigieren, wenn ich die Möglichkeit dazu habe - das wünsche ich mir.

Sendung: "Die Walküre" live von den Bayreuther Festspielen am 31. Juli 2018, 15.57 Uhr auf BR-KLASSIK

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