Aki Takase besticht in einer Vielfalt von spannenden Projekten: im Klavierduo mit ihrem Mann Alexander von Schlippenbach, in der Band "Japanic", im Duo mit Saxophonist Daniel Erdmann oder in einem brandneuen Projekt mit einer Opernsängerin. Mit 75 Jahren wirkt die Pianistin kreativer und aktiver denn je.
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Überraschung - das ist ihr Ding! Sie betritt die Bühne und leert vor versammeltem Publikum den kompletten Inhalt ihrer Handtasche ins Innere des Flügels. Ketten, Tischtennisbälle und andere Gegenstände purzeln über die Saiten des Instruments. So präpariert beginnt Aki Takase ihr Solo-Konzert im Jahr 2008 auf Schloss Guttenburg bei Mühldorf am Inn.
Immer noch ist Aki Takase für Überraschungen gut und gerade in den letzten Jahren hat die nun 75-jährige mit so großartigen Projekten für Aufsehen gesorgt, dass man meinen könnte, jetzt wäre sie auf dem Zenit, doch eigentlich ist ihre Karriere ein fortwährender Höhepunkt.
Ihren zukünftigen Mann, den deutschen Free Jazz-Pionier Alexander von Schlippenbach, kannte sie noch nicht, als Aki Takase 1981 beim Jazzfest Berlin mit ihrem ersten Auftritt in Europa für eine kleine Sensation sorgte. Der Kontrast war faszinierend: ihre delikate Erscheinung und dann dieser Furor am Instrument - das sie übrigens am meisten mag, wenn es etwas schwergängig ist, weil sie jeden Ton besser spürt, wenn das Spielen Kraft braucht. Machtvolle Cluster-Akkorde, lustvoll heraus gehämmerte Dissonanzen, halsbrecherische Single Note Jagden. Der freie, ungebändigte Ausdruck ergibt verbunden mit Tauchgängen an die Ursprünge des Jazz und in den Fundus der europäischen Klassik eine unwiderstehliche Mischung. Damit überwältigt Aki Takase das deutsche Publikum bis heute.
Aki Takase | Bildquelle: Aki Takase Dass ihr expressives Spiel - geadelt von einer umwerfenden Anschlagskultur und konterkariert von ihrer humorvollen, aber nie parodistischen Art Traditionsstücke des Jazz zu interpretieren - oft wie ein Befreiungsschlag wirkte, dafür war vielleicht auch ihre Mutter ein wenig verantwortlich. Eine Klavierlehrerin, die ihre Tochter mit drei ans Instrument führte und beim Üben schon mal am Hocker festband, wenn sie zum Einkaufen ging. Die kleine Aki nutzte diese Zeit für erste Improvisationen, doch es dauerte noch eine ganz schöne Weile, bis sie zum Jazz kam. Geboren am 26. Januar 1948 in Osaka, aufgewachsen in Tokio, studierte sie dort an der Toho Gakuen Universität Musik mit dem Hauptfach Klavier. Als sie 21 war, nahm eine Freundin sie in einen Club mit, in dem die angesagten Jazzplatten aus den USA liefen. Und Aki Takase kroch in die Lautsprecher, aus denen John Coltrane, Ornette Coleman, Miles Davis, Charles Mingus und Albert Ayler tönten. Die in Japan unwahrscheinlich populären deutschen Klassiker Bach, Brahms und Beethoven waren nicht vergessen, aber ab da gab es für sie auch andere Götter neben ihnen. Mit 23 spielte sie ihre ersten Jazzauftritte, mit 25 leitete sie das erste eigene Trio. 1978 holt sie der Bassist und Cellist Nobuyoshi Ino in sein Trio und die erste Platte mit ihr erscheint. Ihr Titel: "AKI".
Von Deutschland ausgehend nimmt Aki Takases internationale Karriere nach dem Jazzfest Berlin ungemein an Fahrt auf. In den 1980er und 90er Jahren veröffentlicht sie zunächst vor allem bei der Münchner Plattenfirma Enja. Solo und mit spannenden Konstellationen sorgt die Pianistin für immer neue Aha-Effekte bei Publikum und Presse. Starke Duos und die musikalische Dialogform spielen dabei eine wichtige Rolle.
Musik ist meine Sprache - ich spreche durch die Musik.
Aki Takase und Alexander von Schlippenbach. | Bildquelle: © Rinderspacher Ihre Muttersprache beeinflusst hörbar auch den Duktus ihrer musikalischen Sprache: akzentuierte Silben, die nicht im Legato verbunden werden, sondern eher noch durch minimale Pausen getrennt scheinen, wie ihr eigener Name TA-KA-SE. Bestechende Klarheit prägt ihr Klavierspiel und den Diskurs der Töne, den sie in den letzten 40 Jahren im Dialog u.a. mit den Saxophonisten Gunther Klatt und David Murray geführt hat, mit der portugiesischen Sängerin Maria João, immer wieder mit KlarinettistInnen: dem Franzosen Louis Sclavis und aus dem Berliner Umfeld mit Rudi Mahall und Silke Eberhard, und natürlich an zwei Klavieren mit ihrem Mann Alexander von Schlippenbach.
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AKI TAKASE & DAVID MURRAY - Let's Cool One [Porgy & Bess Vienna]
Aki Takse im Duo mit David Murray an der Bassklarinette
Ihr Impuls-Austausch im Zusammenspiel mit anderen, aber auch ihre Solo-Performances sind Glanzleistungen der Improvisation. In einer Mischung von Ausbruch und Akkuratesse zeugen sie von Temperament und Einfühlungsvermögen. Das hält auch beim Zuhören in Atem. Mit großem gestalterischen Können werden hier aus dem Ad Hoc komplexe Formen und harmonische Zusammenhänge geschaffen, denen - in eine Partitur gebracht - ein Platz im Werkeverzeichnis der klassischen Moderne gebühren würde.
Komposition ist komprimierte Improvisation
Ihre hohe künstlerische Individualität hindert Aki Takase aber keineswegs daran, sich immer wieder auch tief in das Werk von Jazzgrößen zu begeben, die sie bewundert. Von den Ikonen des Freejazz bis zu frühen Stride Piano Meistern reicht die Palette der Musiker, denen sie zusammen mit musikalischen PartnerInnen Programme und Einspielungen gewidmet hat. Wenn sie Ornette Coleman, Eric Dolphy und Thelonious Monk, Fats Waller und W.C. Handy durch den Filter der eigenen musikalischen Persönlichkeiten betrachtet, leuchtet Aki Takase bestechend scharf die Konturen der Originale aus. Eine besondere Form der Aneignung ohne den Verlust des Ursprungs.
Aki Takase bei der Verleihung des "Albert-Mangesdorff-Preies" 2021 in Berlin. | Bildquelle: Camille Blake / Berliner Festspiele In Berlin hat Aki Takase seit 1988 ihren Lebensmittelpunkt. Einige Jahre war sie Gastprofessorin an der Hochschule für Musik Hanns Eisler, in erster Linie aber freischaffende Künstlerin. Seit 2017 spielt sie intensiv mit dem deutsch-französischen Saxophonisten Daniel Erdmann zusammen. Er ist auch Mitglied ihrer Band "Japanic", in der Alexander von Schlippenbachs Sohn Vincent unter dem Namen "DJ Illvibe" die Turntables bedient. Mit diesem Quintett gestaltete Aki Takase auch das Preisträger-Konzert im Jahr 2021 in Berlin, als ihr die höchste deutsche Jazz-Auszeichnung, der "Albert-Mangelsdorff-Preis", im Rahmen des Jazzfests Berlin verliehen wurde. Mit ihrem Trio "Auge" gastierte sie im selben Jahr beim digitalen "Jazz+"-Festival in der Münchner Seidlvilla.
Bildquelle: © Stefanie Marcus
"Jazz+"-Festival
Trio "Auge"
Stillstand oder gar Ruhestand scheint für Aki Takase nicht in Frage zu kommen. Etliche Konzerttermine sind für 2023 in Europa und auch in Japan geplant. Zwei spannende Veröffentlichungen stehen an, ein Duo-Album mit Alexander von Schlippenbach und das Debut-Album des Projekts "Carmen Rhapsody" mit Opernsängerin Mayumi Nakamura, Saxophonist Daniel Erdmann und Cellist Vincent Courtois. Aki Takase: immer kreativ, immer voll Energie und immer überraschend!
Sendung: Jazztime am 26. Januar 2023 ab 23.05 Uhr auf BR-KLASSIK